Unterhaltsame musikalische Frauenemanzipation

Salome Kammer und Maria Reiter mit Liedern der "Goldenen Zwanziger" im Fagus-Werk

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Um die „Lieder der Goldenen Zwanziger“ ist es am Sonnabend beim Konzert der Internationalen Fredener Musiktage im Fagus-Werk Alfeld gegangen. Auf der Bühne im gut besuchten, aber nicht ausverkauften Saal: Sängerin Salome Kammer mit ihrer Akkordeonpartnerin Maria Reiter. Zu hören waren Lieder und Chansons von Paul Abraham, Friedrich Hollaender, Erik Satie, Kurt Weill, Glenn Miller und anderen.

Salome Kammer nennt sich selbst nicht Sängerin, sondern schreibt schlicht neben ihren Namen „Stimme“. In der Tat ist sie von Hause aus Schauspielerin. Erst später, als sie 1988 in der Filmproduktion „Die zweite Heimat“ von Edgar Reitz die Hauptrolle der Clarissa Lichtblau als Cellistin und Sängerin spielte, begann sie eine Gesangsausbildung. Seitdem ist sie vor allem auf musikalischem Gebiet aktiv und hat in ihrer mehr als drei Jahrzehnte währenden Karriere in Theatern, Opernhäusern und Kleinkunstbühnen ihre Stimme in den unterschiedlichsten Genres präsentiert. Außerdem unterrichtet sie an der Münchner Musikhochschule zeitgenössische Musik für Sänger.

Diese stilistische Vielseitigkeit machte ihren Auftritt in Alfeld ausgesprochen abwechslungsreich. Mit Titeln wie „Moderne Treue“ und „Ich bin eine Frau, die weiß, was sie will“ (Oscar Straus) oder „Was hat eine Frau von der Treue“ (Paul Abraham) zeichnete sie ein differenziertes Frauenbild der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. In diesen Liedern offenbart sich ein zunehmendes weibliches Selbstbewusstsein, mit dem sich Frau auch gegen „Emil seine unanständ’ge Lust“ (Song von Paul Strasser) zu wehren versteht.

In ihrer Moderation stellte Salome Kammer solche Zusammenhänge – in die auch die Einführung des Frauenwahlrechts gehört – kenntnisreich dar, beleuchtete die Schicksale der Komponisten, von denen viele in der Zeit des Nationalsozialismus aus Deutschland emigrieren mussten, was oft einen Knick in ihrer Karriere bedeutete. Eine Ausnahme bildet Kurt Weill, der nach seinem Riesenerfolg mit der „Dreigroschenoper“ (1928) kurz nach Hitlers Machtergreifung nach Paris floh und sowohl in Frankreich wie vor allem im amerikanischen Exil als Komponist Fuß fassen konnte.

Mut zur Skurrilität

Auch wenn sie sich nur „Stimme“ nennt: Salome Kammer ist eindeutig ein Sopran, hat mit hohen Lagen keinerlei Probleme und zeichnet – dafür ist ihre Schauspielerfahrung perfekt – die Inhalte ihrer Lieder mimisch und gestisch lebendig nach. Auch mit Mut zur Skurrilität: wenn sie etwa in Gershwins „Promenade“ einen spazierenden Hund mit hängenden Pfötchen mimt. Ein ganz anderes Bild als das der Seeräuber-Jenny, die ihre Fähigkeiten jenseits des Gläserspülens und Bettenmachens sehr genau kennt und, wenn sie jemanden sieht, der geköpft wird, dafür nur ein „Hoppla“ übrig hat. Wieder einen anderen Frauentyp stellt Kammer in Saties Walzerlied „Je te veux“ dar, in dem schon binnen weniger Takten in der Halle des Fagus-Werks ein Hauch „Moulin Rouge“-Atmosphäre zu ahnen war. Manche Titel gingen auch über die engen Grenzen der 1920er-Jahre hinaus, beispielsweise Pietro Trompettas „Kriminaltango“ von 1959, der bei vielen Zuhörern nostalgische Gefühle weckte.

Kammers musikalische Partnerin Maria Reiter ist eine begnadete Akkordeonistin, die schon mit ein paar leise getupften Akkorden und einer Mini-Melodie eindrucksvolle musikalische Räume öffnet, die ihre Virtuosität nicht nur in der Fingerfertigkeit, sondern auch im Zauber vielfältiger Klangfarben unter Beweis stellt. Zu den Höhepunkten des Abends gehörte ihr Instrumentalsolo im 120 Jahre alten Tango „El Choclo“ von Ángel Gregorio Villoldo. In einem Jodelduett mit Salome Kammer konnte die Akkordeonistin überdies eindrucksvoll vorführen, dass sie ebenfalls hervorragend singen kann.

Dabei agiert Maria Reiter ganz entspannt und locker, eine Eigenschaft, die man bei Salome Kammer ein wenig vermisst. Auch wenn deren darstellerische und musikalische Fähigkeiten bemerkenswert sind, wirkt sie häufig etwas unfrei, wendet etwas zu viel Nachdruck auf. Unter diesem Druck unterliefen ihr auch wenige kleine Gedächtnisaussetzer, bei denen aber Maria Reiter souverän als Souffleuse einzuhelfen wusste. Am Ende des Abends gab es lang anhaltenden Applaus und einen Abschieds-Tango als Zugabe.

Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin des Kulturbüro Göttingen. Redaktionell verantwortlich sind das Kulturbüro Göttingen sowie dessen Autor:innen.

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Fagus-Werk

Lebendes Welterbe

Adresse
Hannoversche Straße 58, Alfeld/Leine

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