Make sure you take your time
„I want to love, and I love“. Ein frommer Wunsch und eine Absichtserklärung in einem. Herzlich Willkommen auf
dem Debütalbum von fastmusic. Nach der vorab veröffentlichen Doppel-Single "wow/funk in the kitchen (dream)"
im letzten Jahr erscheint mit „I want to love, and I love“ nun endlich ein Album des Leipziger Künstlers fastmusic auf
dem outernational Label Ihres Vertrauens: Fun In The Church.
"Carousel keeps on turning, I'm sitting inside and try to calm down, The party isn't over, I wonder why." Im Album-
Opener beschreibt fastmusic die Welt als Karussell. Aber wir sind hier definitiv im langsamsten Karussell der Welt
gelandet.
Die Musik auf dem Album klingt dabei nach Shuggie Otis oder Timmy Thomas, allein schon wegen der Rhythmus-
Maschinen, die ab dem dritten Song "Superman" konseqeunt dazu geschaltet werden, sie klingt aber auch nach
Spacemen 3 wegen der entschiedenen Entschleunigung und der Shoegaze-Romantik, und sie klingt nach Mali-
Blues, wegen der Harmonien und der Wärme, die trotz des radikal minimalistischen Sounddesigns – das ein wenig
an Anna Domino erinnert – aus den Lautsprechern fließt.
Vor allem aber klingt fastmusic trotz aller genannten Last-Century-Referenzen nicht im Entferntesten retro. Sondern
eher nach jemandem, der sich neben Musik auch für Pflanzenheilkunde, Maschinenbau und Meditationstechniken der letzten 5.000 Jahre interessiert.
So ist der Bandname in jeden Fall als Juxtaposition zu lesen. Denn die Hektik dieser Zeit ist etwas, das an fastmusic
komplett abprallt, ästhetisch wie philosophisch.
Egal, ob es um Supereinkäufer:innen im ironischen Konsumhelden-Tune "superman" geht, um First World Problems
und die dazugehörigen Küchenpsychologie in "funk in the kitchen" oder um Ausdruckstänzer im Sonnenlicht
(„dancing in the sun“). Leben und leben Lassen, steht auf diesem Album ganz oben auf der Agenda.
"Digging in every little bag to search, something to lighten up my cigarette, don't have anything to say, but wine, I don't
have anyone to blame this time", heißt es etwa in "it's ok" und später dann "It's okay, Lina, don't need to know, what
is right and what is wrong, enjoy!” Wer so langsam genießen kann, wie fastmusic, der findet bestimmt keinen Grund,
andere Menschen in die Pfanne zu hauen! Wissend um den Umstand, dass der Genuss heute konsequent von
ständiger Selbstinzenierung und freiwillig unfreiwilliger Berichterstattung unterbrochen wird: "Could you smile just for a
moment, I would like to take a picture, you know it's just for the story, because I like to tell stories", heißt es dazu etwa
in "pictures".
Auf dem Cover sehen wir den Künstler beim Bürsten seiner Perrücke, die Augenpartie durch einen Arm verdeckt.
Mehr muss man am Ende über fastmusic möglicherweise auch gar nicht wissen. Denn so sehr Last Century das im
Jahr 2024 auch klingen mag: Es geht auf diesem Album tatsächlich um die Musik! Und, und jetzt wird‘s esoterisch:
Um ihre heilenden Kräfte!
Was Mythenbildung, Personality-Show und Brandbuilding oder das Erfüllen irgendwelches Shock Values angeht:
Fehlanzeige! Am Ende sucht fastmusic – so wie wir alle – auch nur seinen Platz in der Welt! Und im Gegensatz zur
schwer verunsicherten Mehrheit da draußen, sieht er partout nicht ein, sich deswegen irgendwie unter Druck setzen
zu lassen! Zumindest der Künstlerpersona in diesen herzerwärmenden Songs scheint es so zu gehen.
"I still don't know how to decide, make sure to take your time...", singt er im letzten Song "place in the middle", und
möglicherweise ist das tatsächlich der beste Ratschlag, den uns ein Künstler in diesen hochexplosiven Zeiten mit auf
den Weg geben kann: Sich alle Zeit der Welt zu nehmen! Für sich, für seine Liebsten und den ganzen Rest. Wozu die
Getriebenheit der letzten Jahre geführt hat, bekommen wir gerade täglich zu spüren. So gesehen ist dieses Album der
Soundtrack zur 3-Tage-Woche. Digital Detox inklusive.Weniger anzeigen
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