Ein Veranstaltungszentrum voller spannender Ideen soll im Sommer 2023 in Hann. Münden an den Start gehen. Im historischen Ochsenkopf hat die OX-Location ihr Zuhause gefunden. Initiator des ehrgeizigen Projekts mit Spontan-Konzerten und „Public Viewing and Hearing“ zum Beispiel der Berliner Philharmoniker ist der Pianist und Komponist Christian Möller, der auch die dort heimische Musikschule leitet. Für ihn ist das Haus aus dem Jahr 1528, das vor rund 50 Jahren komplett saniert worden ist, eins der schönsten Fachwerkhäuser in der Umgebung. Außerdem sei es eines der wenigen erhaltenen Ständerhäuser Deutschlands, macht er auf seine Besonderheit aufmerksam.
Vielfälltige Nutzung: Workshop-Zentrum, Kulturcafé, Projekte mit Geflüchteten, Konzert-Location
Möller weist auf die Fachwerkkonstruktion mit massiv wirkenden und allein wegen ihres Umfangs Eindruck machenden dunklen Balken, die den Veranstaltungsraum durchziehen. Über das geschichtsträchtige Haus kann der Hausherr noch viel mehr erzählen. Seit 20 Jahren ist Möller im Ochsenkopf für das kulturelle Leben in der Drei-Flüsse-Stadt Hann. Münden aktiv. Weil die Stadt Eigentümer des baulichen Schmuckstücks ist, möchte Möller es für die Öffentlichkeit nutzen. Ein Workshop-Zentrum, ein Kulturcafé sowie ein Integrationsprojekt für Flüchtlinge hat er dort bereits erfolgreich betrieben. 2015 sei Hann. Münden förmlich gestürmt worden, erzählt er – zum einen von den vielen geflüchteten Menschen, die in Deutschland Zuflucht suchten, zum anderen von Musikbegeisterten, die die etwas anderen Konzerte im Ochsenkopf gerne hören wollten.
Einen Schritt zurück ging es gleich nach dem Start: Weil das Haus nicht über ausreichenden Brandschutz verfügte, musste es für öffentliche Veranstaltungen schnell wieder geschlossen werden. Nach umfassenden Umbauarbeiten, die etwa zwei Jahre in Anspruch nahmen, wurde es 2018 wieder eröffnet – als Kick für das kulturelle Leben in Hann. Münden. Die Jugendhilfe Südniedersachsen (JSN) und der Landkreis Göttingen hätten sich sehr großzügig gezeigt, freut sich der Macher über die finanzielle Anerkennung. Doch als 2021 die Finanzierung auslief, sei die Zukunft des schmucken Hauses zunächst wieder unsicher gewesen.
Im Dreier-Team wurde eine gemeinnützige GmbH für die OX-Location gegründet
Kaum habe er seiner Sorge über die Zukunft des historischen Ochsenkopfes bei einem Konzertabend Ausdruck gegeben, habe ihm Daniel Sallwey vom Omnibusbetrieb mit gleichem Namen seine Unterstützung angeboten, erzählt Möller. Mit der Saxophonistin Elisabeth Flämig, mit der Möller im Duo Freiraum die Zuhörer immer von Neuem begeistert, haben Sallwey und Möller eine gemeinnützige GmbH für die OX-Location gegründet.
Dass Möller das Projekt mit Begeisterung betreibt und ein Auge fürs Detail hat, zeigt sich schnell im Veranstaltungsraum, den ein Besucher als erstes betritt. 80 Menschen finden hier Platz, auf vielen verschiedenen Sitzgelegenheiten – gemütlichen Sofas, Klavierbänken, Barhockern. Aus einem balinesischen Fischerboot, das in seiner Gesamtlänge acht Meter misst, hat Möller zwei Bänke geschaffen. Manche Kissen auf den Sitzgelegenheiten sind mit der Tastatur eines Pianos bedruckt, in Glas gelasert sind ganze Notenblätter. In der Einfahrt zum Hof stehen alte Klaviere, die Möller schon zu Bänken umgebaut hat beziehungsweise noch umbauen möchte.
In der OX-Location trifft mittelalterliche Architektur auf modernste Technik
Wenn Möller auf dem E-Flügel oben spielt, erscheinen auf einem Bildschirm die Noten – ein gutes Hilfsmittel für Kompositionen, die Noten können leicht bearbeitet werden. Das zeige, dass im historischen Ochsenkopf nicht mehr nur das Mittelalter herrsche. Zukunftstechnologien seien dort sehr präsent. Alles, was gehört oder gespielt werde, könnten Interessierte auf dem Handy konservieren und in den sozialen Medien verbreiten. Von den Auftritten würden hochwertige Filme gedreht, die die Darstellenden gleich mitnehmen könnten. Das sei für „Kultur am OX“ die beste Werbung. Neben allerlei ähnlichen Aktionen läuft auch die Musikschule weiter. An drei Tagen in der Woche seien die Räume an die Schule vermietet.
Wie sein Bruder habe er mit 14 Jahren mit der Musik spät angefangen, erzählt der studierte Musikus mit den Fächern Orgel und Komposition – die Eltern seien nicht begeistert gewesen. Mit Mitte 20 habe er eine mögliche Karriere als Konzertmusiker aufgegeben. Es sei wie im Leistungssport, erklärt er. Auch Musik könne im Übermaß an die Substanz gehen. Möller ist sicher, dass ihn auch das Spannungsfeld zwischen Ost- und Westdeutschland beeinflusst habe. 1955 seien seine Eltern aus der DDR in den Westen gegangen. Er sei somit als „Wessi“ aufgewachsen. Doch weil die Eltern solches Heimweh gehabt hätten, seien sie in den Ferien regelmäßig heim zur Familie gefahren. So erlebte Möller beide Welten. Im Osten Deutschlands habe er persönlich einen größeren Zusammenhalt empfunden.
Für den kulturellen Zusammenhalt im OX wünscht sich Möller das Zusammentreffen unterschiedlichster Menschen. Der Klassik-Liebhaber solle hier genauso Platz finden wie die Fans von Musik, die Tag für Tag rund um die Uhr aus dem Radio erklingt. In dem Format für den Ochsenkopf möchte Möller Kultur in „Häppchen“ präsentieren und will so die Menschen neu für Musik begeistern. Doch nicht allein mit Genuss für die Ohren möchte Möller die Menschen ansprechen. In einigen der Räume sollen auch Bilder gezeigt werden. Für den Beginn bis in den Herbst hat Möller mit Bezug zur politischen Entwicklung Bilder von der in Berlin lebenden ukrainischen Fotografin Viktoria Sorochinski als Leihgabe zur Ausstellung bekommen.
Zwei Testabende für das innovative Format plant der Hausherr im April. Per Aushang am Ochsenkopf in der Sydekumstraße sollen die Termine veröffentlicht werden, die Vorbereitungen sind im vollen Gange. Mitte Juni soll es dann richtig losgehen mit Veranstaltungen für die Sinne, die im zweiwöchigen Abstand angesetzt werden. Für die Konzerte konnte Möller neben anderen gewachsenen Kontakten Verbindung zur Musikakademie Kassel und zum Institut für Musik der Universität Kassel knüpfen.
So könnte ein Abend in der OX-Location aussehen
Nach Ankunft der Gäste beginnt der Abend um 19 Uhr mit einer geführten Besichtigung der Galerie mit den Werken, die dort zu der Zeit ausgestellt werden. Schon um 19.30 Uhr lockt das erste Essen an der Menü-Bar in der Eingangshalle.
Dort schließt sich um 20 Uhr das erste Konzert an, egal ob Rock, Pop, Jazz oder Klassik. Eine halbe Stunde später lockt der zweite Imbiss. In der Galerie können sich alle Interessierten für die Lesung mit anschließender Diskussion in der Bibliotheks-Lounge stärken. Ein dritter Snack wird ab 23 Uhr im Seminarraum angeboten.
Kammer- und Klaviermusik sowie experimentelle Weisen sind ab 22 Uhr in der Galerie zu hören. Für Tanzlustige beginnt um 23 Uhr eine Disco in der Halle. Zum Mitternachtsblues können sich eine Viertelstunde später etwa zehn Paare auf dem Dachboden einfinden. Eine Late-Night-Party im Gewölbekeller steigt um 23.30 Uhr.
Für den Bus-Shuttle aus Göttingen und Kassel sorgt das Unternehmen Sallwey. Hier wird um Mitternacht zur Abfahrt geläutet.
Datails zu den anstehenden Veranstaltungen im Ochsenkopf sind bald auf https://ox.party-couture.com und auf kulturis zu finden!
Im Artikel genannt
Im Artikel genannt
OXlocation
Live. Digital. Hybrid.
Duo FREI RAUM
Musikalischer Dialog zwischen Flügel und Saxofon
Christian Möller
„Mein Antrieb? Raus aus dem Elfenbeinturm, Musik und Kultur mit anderen teilen.“
Elisabeth Flämig
Freiberufliche Saxophonistin und Musiklehrerin
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