Notfallverbund Südniedersachsen

Was tun, wenn es brennt oder alles zusammenbricht?

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Die Museen, Archive und Bibliotheken sind unsere regionalen Gedächtnisinstitutionen. Sie bewahren die lokale und regionale Geschichte, erhalten wichtige Akten und Unterlagen und sichern wertvolle Kulturgüter und Kunstwerke für die Nachwelt. Was aber, wenn Regenwasser ins Archiv eindringt? Was wenn Hochwasser das Museum bedroht? Wer hilft, wenn Kulturgüter in Sicherheit gebracht werden müssen?

Solche Katastrophen und Havarien gab es in der Vergangenheit teilweise in dramatischer Form. Einige sind auch durch die Medien gegangen: der Brand der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar, der Einsturz des Kölner Stadtarchivs sind sicherlich die bekanntesten Katastrophen. Aber auch bei den großen Hochwasser- und Starkregen-Ereignissen der letzten Jahre war Kulturgut betroffen oder akut bedroht. Und es sind nicht immer die großen Katastrophen, die Kulturgut bedrohen - mal platzt ein Heizungsrohr, mal gibt es einen Schwelbrand oder Regenwasser dringt durch ein undichtes Fenster.

In Südniedersachsen wurden nun erste Maßnahmen ergriffen, um im Notfall nicht allein dazustehen und schnell reagieren zu können, wenn Objekte oder Archivalien in Museen, Archiven oder Bibliotheken durch Unwetter, Rohrbruch, Feuer oder ähnliche Katastrophen bedroht werden.

Kommunen und Museen aus der Region haben zum 01.01.2023 den „Notfallverbund der kulturgutbewahrenden Einrichtungen in Südniedersachsen“ - kurz den „Notfallverbund Südniedersachsen“ - gegründet.

Für den Notfall sichern sie sich darin auf freiwilliger Basis die gegenseitige Unterstützung sowohl mit Personal als auch mit Notfallmaterial zu. So steht im schlimmsten Fall keine der Einrichtungen ganz alleine da, sondern kann auf die Hilfe fachkundiger Kolleginnen und Kollegen zählen. Die Bergung von kulturellem Erbe, das von einer Katastrophe bedroht oder betroffen ist, ist aufgrund der Empfindlichkeit der Gegenstände häufig schwierig und benötigt besondere Kompetenz bei der Behandlung. Zudem spielt bei einer Evakuierung oder Bergung immer auch der Faktor Zeit eine Rolle, so dass möglichst schnell viele Helferinnen und Helfer vor Ort benötigt werden.

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Vor einer Hauswand eines Fachwerkhauses steht eine Gruppe von Menschen des neu gegründeten Notfallverbundes Südniedersachsen
Lizensiert gemäß Alle Rechte vorbehalten von Moritz Steinhauer

Gruppenfoto von Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen und Museen im neu gegründeten Notfallverbund Südniedersachen

Um die Zusammenarbeit noch reibungsloser zu gestalten, werden die beteiligten Institutionen in Zukunft gemeinsame Fortbildungen und Übungen besuchen und ganz konkret üben, wie in der Katastrophe zusammen gearbeitet werden kann.

Nicht zuletzt soll auch gemeinsam erarbeitet werden, wie man bereits präventiv die Kulturgüter am besten schützen kann, um solche Notfälle wenn möglich ganz zu vermeiden oder zumindest die Gefahr zu minimieren.

Die Relevanz solcher Maßnahmen wurde den Mitgliedern des Notfallverbundes im Rahmen der Unterzeichnung der Kooperationserklärung deutlich vor Augen geführt. Nadine Thiel aus dem Stadtarchiv Köln skizzierte in einem Vortrag, welche Folgen aus dem Einsturz des Stadtarchivs resultierten. Weil das dort gelagerte Archivgut dem Archivrecht unterliegt und zudem zahlreiche auch juristisch relevante Dokumente enthält, war es unabdingbar, jedes einzelne Blatt zu bergen und nach Möglichkeit zu erhalten und zu restaurieren. Diese Arbeit dauert seit 2009 an und wird noch viele Jahre in Anspruch nehmen. Eindrücklich stellte sie dar, wie schnelle Rettung anlaufen kann und wie aufwändig die Bergung der Archivalien vor Ort tatsächlich ist.

Um im Notfall auch mit den Blaulichtkräften gut zusammen zu arbeiten, wurden bereits erste Gespräche mit den Feuerwehren der Region geführt. Eine Abstimmung mit den Einsatzkräften ist im Notfall ganz besonders wichtig.

Die Koordinierung des Notfallverbundes übernimmt der Landschaftsverband Südniedersachsen. Dabei geht es darum, die Alarmbereitschaft des Notfallverbundes sicher zu stellen, Übungen und Fortbildungen zu koordinieren, den Erfahrungsaustausch voran zu treiben und Informationen für die schnelle Notfallvorsorge zu sammeln und aktuell zu halten.

Das ersten Treffen des Notfallverbundes fand am 06.03.2023 im Historischen Gebäude der SUB Göttingen statt. Dort wurden erste Weichen für die zukünftige Zusammenarbeit gestellt und die Beteiligten machten noch einmal deutlich, wie wichtig ihnen das Thema ist. Gemeinsam wurde auch eine sogenannte „Notfallbox“ ausgepackt und der Inhalt gesichtet.

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Menschen sitzen in einem Sitzungsraum
Lizensiert gemäß Alle Rechte vorbehalten von Charlotte Kalla

Erstes Arbeitstreffen des Notfallverbund Südniedersachsen

35 solcher „Notfallboxen“ wurden auf Initiative des Landschaftsverbandes in den Einrichtungen in Südniedersachsen bereit gestellt. Sie enthalten Material für die Erstversorgung von Objekten: Schutzkleidung, Handschuhe, Werkzeug, Schreibmaterial, Klebeband, Saug- und Verpackungsmaterial etc. ist damit sofort zur Hand, wenn es in einer Einrichtung schnell benötigt wird. Damit können im Ernstfall Objekte und Archivalien sicher geborgen, ggf. provisorisch gereinigt und dann verpackt werden, um an einen sicheren Ort gerbracht zu werden. Dort kann dann mit der eigentlichen Rettung und Restaurierung begonnen werden. 

Meist ist im Ernstfall Wasser das Problem, wenn es in kulturgutbewahrenden Einrichtungen zum Unfall kommt, denn auch wenn es brennt ist für die Objekte nach der Rettung Löschwasser die Bedrohung. Dann geht es bei der Rettung von Kulturgütern um jede Minute, denn Wasser setzt einen sofortigen Zersetzungsprozess in Gang. Dieser kann zwar aufgehalten werden, dies erfordert jedoch sofortiges Handeln. Mit Hilfe der Notfallboxen ist nun in den Häusern eine schnelle Reaktion zur „Ersten Hilfe“ möglich.

Dadurch, dass die „Notfallboxen“ mobil und in allen Einrichtungen identisch sind, können diese zum Notfall einfach mitgebracht werden. Damit steht jeder Einrichtung nicht nur die eigene Ausstattung zur Verfügung sondern - dezentral gelagert - die 35fache Menge an Verpackungsmaterial, Arbeitsschutz- und Arbeitsplatzausstattung für die Sofort-Versorgung.

Die Realisierung des Notfallboxen-Projekts wurde durch die Förderung Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) sowie der Kulturstiftung der Länder (KSL) ermöglicht. Seit 2010 unterstützt die Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) aus diesen Mitteln verschiedene Projekte, die auf die bundesweite Erhaltung bedrohten, schriftlichen Kulturguts abzielen.

Bundesweit haben sich in den vergangenen Jahren an vielen Orten solche Notfallverbünde gegründet, auch wenn deren Abdeckung bei Weitem noch nicht ausreicht. In Niedersachsen ist der Notfallverbund Südniedersachsen der vierte seiner Art. Besonders ist in Südniedersachsen die flächenmäßig große Ausdehnung des Notfallverbundes und damit die breitgefächerte Kooperation mehrerer Kommunen und Museen.

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Eine Karte von Südniedersachen mit blauen Quadraten wo "Notfallboxen" des Notfallverbundes platziert sind
Lizensiert gemäß Alle Rechte vorbehalten von Landschaftsverband Südniedersachsen e.V.

Standorte der Notfallboxen in Südniedersachsen

Verfasser:in

Annika Jühne

Projektreferentin beim Landschaftsverband Südniedersachsen

Fokus

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Im Artikel genannt

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