Europäisches Brotmuseum Ebergötzen

Vom Korn zum Brot – und zum Umgang mit Ressourcen

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Brot ist alltäglich – und wo Brot fehlt, fällt es schwer zu überleben. Kaum etwas hat unsere weltweite Kulturgeschichte so sehr beeinflusst wie der Weg vom Korn zum Brot. Das Europäische Brotmuseum in Ebergötzen widmet sich auf 500 m² Ausstellungsfläche im ehemaligen Forsthaus und auf dem 2 ha großen Außengelände diesem so einfachen und doch so besonderen Grundnahrungsmittel.

Eine Kopflindenallee führt vom kleinen Parkplatz zum Hauptgebäude des Museums, das 1711 erbaut wurde, aber längst nicht das älteste Bauwerk auf dem Gelände ist. Neben dem einstigen Forstamtssitz erhebt sich der Wohnturm einer mittelalterlichen Wasserburg aus dem 13. Jahrhundert. Auf dem weitläufigen Außengelände wirkt die kleine Wassermühle aus der Zeit um 1600 eher zurückhaltend gegenüber der imposanten Bockwindmühle von 1812.

Im idyllischen Garten mit alten Obstbäumen summen Bienen über einer Blütenpracht, die nicht nur schön, sondern auch nützlich ist. Anschauliche Tafeln informieren über die Heil- und Nutzpflanzen und über alte Getreidesorten. Die Museumsgäste, Wanderer, Ausflügler, Familien mit Kindern, genießen den Schatten und die friedliche Atmosphäre, das satte Grün in den Gärten und Parkanlagen – und lassen sich ein auf die kulturhistorische Reise zum Brot. Die führt vom steinzeitlichen Lehmofen bis zur modernen Konsumgesellschaft. Nicht nur die historischen Erkenntnisse spielen also eine Rolle, sondern auch das Hinterfragen des heutigen Umgangs mit Ressourcen.

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Gleich am Eingang des alten Forsthauses erklärt Museumsleiterin Agnieszka Steuerwald einer Familie anhand des Flyers den Rundgang durch die Innen- und Außenbereiche. Im Büro hinter dem Empfangstresen bespricht sie mit Geschäftsführerin Michaela Henning noch kurz ein paar organisatorische Dinge zur nächsten Veranstaltung. Das Brotmuseum ist gut aufgestellt mit rund 15.000 Besucher*innen pro Jahr, „aber denen muss auch etwas geboten werden, damit sie wiederkommen“, sagt Agnieszka Steuerwald. Insbesondere die Menschen aus der Region sollen rege teilnehmen an Backaktionen, Kulturveranstaltungen wie Lesungen, Kunstausstellungen oder Konzerte, Podiumsdiskussionen, Ferienaktionen und mehr.

Im Mittelpunkt der Angebote steht das Motto des Museums: „Vom Korn zum Brot“. Hinter diesem Thema verbirgt sich deutlich mehr als bloß die handwerkliche Tätigkeit des Brotbackens. Irgendwann in der Menschheitsgeschichte ist jemand auf die Idee gekommen, Getreide zu mahlen, um es bekömmlicher zu machen. Was dann wohl zunächst als Brei verzehrt wurde, ist vielleicht einmal ins Feuer gefallen, und das Resultat schien zu schmecken, war transportabler und länger haltbar als Brei. Vor rund 10.000 Jahren begannen Menschen, Brot herzustellen. Parallel dazu entwickelte sich der Getreideanbau, der die Sesshaftigkeit der einstigen Jäger und Sammler ermöglichte. Die Verarbeitung des Korns zeigt weltweit Ähnlichkeiten auf, hat aber doch regionale Besonderheiten entfaltet.

Im Brotmuseum in Ebergötzen erzählen über 3000 Exponate die Geschichte des Brotes und damit auch die Geschichte der interkulturellen Verbindungen und der Wertschätzung der Gaben der Natur. Sie vermitteln aber auch Vorstellungen von der harten Arbeit auf den Feldern bis zur industrialisierten Landwirtschaft, von der Entfernung des Menschen von Anbau und Herstellungsprozessen, vom Nahrungsmangel und schließlich vom Klimawandel und neuen Chancen.

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Die Museumsleiterin Agnieszka Steuerwald mit einem Korb voll Brotgebäck
Lizensiert gemäß Alle Rechte vorbehalten von Claudia Nachtwey

Agnieszka Steuerwald, Leiterin des Europäischen Brotmuseums Ebergötzen

„Zu den Highlights der Sammlungen gehören der Getreideschrank mit 1800 Getreideproben aus aller Welt, historische Brote und Gebäcke und die 80 Künstlerteller Brot des Lebens“, zählt Agnieszka Steuerwald einige der Museumsschätze auf. Letztere schlagen den Bogen zu aktuellen Themen, denn sie sind 1997 als Spendenaktion zugunsten von „Brot für die Welt“ entstanden.

„Wir wollen nicht nur die kulturgeschichtliche Bedeutung des Brotes vermitteln, sondern auch auf Themen wie gesunde Ernährung, respektvollen Umgang mit Lebensmitteln und der Umwelt, Ernährungsprobleme in der Welt oder nachhaltige Landwirtschaft aufmerksam machen“, erklärt die Museumsleiterin. Um diese Ziele zu erreichen und die Menschen ins Gespräch zu bringen, werden Netzwerke ausgebaut und Veranstaltungen angeboten. So läuft zurzeit die Sonderausstellung „Die Natur, der Mensch und das Brot – Bilder des Lebens“ des Duderstädter Künstlers Ulrich Hollmann, der selbst noch in Kriegszeiten den Mangel an Brot kennengelernt hatte, und der in einer späteren Schaffensphase Brote auf die Leinwand brachte. Die Brotbilder stehen im Wechsel mit Marktszenen, südniedersächsischen Naturlandschaften und Menschengruppen in einer eher naturfernen Welt.

Für Kinder und Familien werden in der Museumsbackstube Mitmach-Aktionen angeboten, wo über den Herstellungsprozess des Brotes auch Wertschätzung für Nahrung vermittelt wird. Beim Erntedankfest werden Verknüpfungen zum Bäckerhandwerk und zur Landwirtschaft verdeutlicht, und auf Podiumsdiskussionen treffen sich Fachleute, Politiker*innen und interessierte Menschen zum Austausch.

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Das Europäische Brotmuseum und die historische Mühle
Lizensiert gemäß Alle Rechte vorbehalten von Claudia Nachtwey

Die historische Bockwindmühle am Europäischen Brotmuseum

Der gemeinnützige Verein Europäisches Brotmuseum e.V. wurde 1970 gegründet. 1971 konnte das Europäische Brotmuseum in Mollenfelde bei Friedland eröffnet werden. 1999 musste sich der Verein aufgrund des auslaufenden Pachtvertrags nach einem neuen Domizil für das Museum umsehen und fand im freigewordenen alten Forsthaus in Ebergötzen einen passenden Standort. Anfang 2000 stand der Umzug an. Seitdem entwickelt sich das Museum kontinuierlich weiter zu einem Touristenmagnet und zu einem Entschleunigungsort für die Menschen in der Region. Der Verein sieht seine Hauptaufgaben als Botschafter des handgemachten Brotes, in der Wissensvermittlung und in der Sensibilisierung für Natur- und Kulturthemen rund um die Herstellung und den Umgang mit Nahrungsmittel.

„Vor dem Hintergrund des Klimawandels, der Kriege und der Krisen ist Essen keine Privatsache mehr. Unsere Wirtschaftssysteme haben ausgedient, weil sie weder den Schutz der Erde noch die globale Gerechtigkeit im Blick haben. Viele Menschen wollen das ändern und es gibt bereits viele nachhaltige Lösungen, die funktionieren“, macht Agnieszka Steuerwald Hoffnung auf einen Wandel im Umgang mit Ressourcen und lädt die Menschen ein, das Europäische Brotmuseum als Begegnungsstätte, Kulturzentrum und Erholungsort zu besuchen.

Wie bei vielen Kultureinrichtungen ist das monetäre Korsett auch in Ebergötzen eng geschnürt. Das Museum finanziert sich durch die Eintrittsgelder, durch die Förderbeiträge der Vereinsmitglieder, durch Spenden und Zuschüsse des Landkreises Göttingen. „Der Erfolg des Museums wird trotz aller Widrigkeiten vom Engagement des kleinen Museumsteams und der ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen getragen“, erklärt Agnieszka Steuerwald. Für die Zukunft wünscht sich das Team natürlich weiterhin interessierte Besucher*innen und Sponsoren – aber auch eine wieder zunehmende Wertschätzung für Nahrungsmittel.

Verfasser:in

Claudia Nachtwey

Gründerin von Clanys Eichsfeld Blog und Autorin des kulturis-Magazins

Im Artikel genannt

Im Artikel genannt
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