WINTERREISE
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Eine brennend aktuelle Geschichte von Freiheit und Unterdrückung
Eines steht fest: SO haben Sie diesen Liedzyklus von Franz Schubert noch nie erlebt - und man kann in diesem Fall wirklich von "ERLEBEN" Sprechen. Es ist ein aufwühlender Abend, denn wer weiß schon, dass Franz Schubert im Gefängnis saß? Dass er von Geheimpolizisten und Spitzeln überwacht wurde? Dass er sich die Texte der Winterreise aus einer im damaligen Wien verbotenen Zeitschrift, deren Lesen bereits unter Strafe stand, besorgte?
"Es wird kalt in Deutschland", so wird die Liedfolge der „Winterreise“ in dieser Interpretation, die sich auf Freiheit, Zensur und Überwachung bezieht, zu einem Werk, das weit über die unglückliche Liebesgeschichte hinausweist. Diese Rezeption ist musikgeschichtlich seit geraumer Zeit aktuell und wird mehr und mehr als die eigentliche Botschaft dieses meistgespielten Liedzyklus gesehen!
Müllers und Schuberts „Winterreise“ ist neben anderen Werken die Reaktion von Künstlern auf die Karlsbader Beschlüsse und die darauf folgende Bespitzelung; auf Zensur und Einschränkung, welche das Leben der Bürger ganz unmittelbar traf. Daraus ergibt sich die ganz aktuelle und mehr und mehr brennende Frage: Wie viel Freiheit steht einem Menschen zu? Was geschieht mit uns, wenn wir uns unserer Freiheit beraubt sehen? Das ist die „Winterreise“, ein Aufschrei, ein Hilferuf! Und, zum Schluss des Zyklus, im berühmten "Leiermann", Resignation oder Aufbruch? - Gerade in den letzten Jahren aktuell wie lange nicht!
Musikalisch ist diese Version sensationell: Aus dem Zittern wird ein Beben, aus den angedeuteten Eisblumen klirrender Frost, aus den lieblichen Tönen ein hoch ergreifendes Sehnen nach Licht und Freiheit. Bernhard Wünsch leuchtet den Klavierpart bis in die entferntesten Ecken aus und weitet ihn durch die Bearbeitung für Sopran, Violine und Klavier zu einem bislang ungehörten Spektrum an musikalischen Farben, deren Klang vom tiefsten Dunkel bis zum erlösenden Licht reicht.
Die Sehnsucht nach eben diesem Licht, dieser Freiheit war das treibende Element für den Dichter Wilhelm Müller, die "hinterlassenen Papiere eines reisenden Waldhornisten" zu schreiben, war der Grund für Franz Schubert, das Risiko einer Gefängnisstrafe einzugehen und die Gedichte zu vertonen, stand doch schon das Lesen der Zeitschrift, in der sie veröffentlicht wurden, im Habsburgerreich unter Strafe. Diese Inhalte werden in kurzen Texten, die immer nach meist 4-5 Liedern eingeschoben werden, verdeutlicht. Um dem Publikum auch in dieser Fassung Zeit zum Verinnerlichen der "Story" zu geben, erklingen in der Abfolge zwei kurze Instrumentalwerke Schuberts, die sich verblüffend nahtlos in das Werk einfügen.
Ein gleichermaßen ergreifender wie mitreißender Konzertabend, für den das Ensemble bislang immer mit stehenden Ovationen gefeiert wurde!
Copyright: Realsoundartists
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