Sie hat Ecken und Kanten. Solche, die sich schwer schleifen lassen und an denen sie sich manchmal selbst blaue Flecken holt. Kleine Narben, die dafür stehen, dass sie etwas erlebt hat. Und das ist dringend notwendig, um das zu tun, was sie tut. „Man muss ein Leben gelebt haben, um Chansons singen zu können“, sagt Sandra Kreisler. Nur singt sie nicht nur Chansons, sie lebt sie auch. Sandra Kreisler stellt sich nicht auf die Bühne. Sie singt, spielt, seziert.
Nun präsentiert sie ihr Solo-‐Programm „Kreisler singt Kreisler“. Ein Programm mit großteils unbekannten Liedern Georg Kreislers, dieser Ikone des literarischen Cabaret-‐Chansons. Und auch diese Lieder singt sie nicht einfach, sie lebt sie. Sie präsentiert nicht den Vater aus pietistischen Gründen, wie sie sagt, sondern den Künstler und sein Werk:“ Es gibt kaum deutschsprachige Lieder dieser Güte. Es wäre geradezu ein Verbrechen an der Kunst, sie dem Vergessen zu überlassen".
Die Lieder, die Zitate aus Briefen und Artikeln bieten zwar Einblicke in die Gedankenwelt des Altmeisters, dennoch bleibt dies mehr Vorwand, mehr roter Faden als Hauptinhalt. Sandra Kreisler selbst spricht mit diesen Liedern – denn sie ist längst über kleinliche Küchenpsychologie hinausgewachsen. Hat ihre eigene Stimme. Voller Authentizität, voller Hingabe. Vollkommen ehrlich steht sie da, nackt im übertragenen Sinne, und man versteht, dass es hier um Inhalte geht, nicht um Personen. Nicht zuletzt deshalb wartet man an diesem Abend vergeblich auf allzu bekannte Tauben oder Tanten. Es ist eine Sammlung, die auf das Heute verweist. Der Autor tritt in den Schatten seiner Lieder und wird gerade dadurch zeitlos.
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