Rotwelsch

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 «Die Welt hat das genialste Streben so miserabel stets gelohnt! Wer immer Pech gehabt im Leben wird endlich die Geschicht’ gewohnt.» In Carl Millöckers Erfolgsoperette «Der Bettelstudent» (1882) verbergen sich, wie in vielen anderen Operetten auch, unter der heute etwas aus der Zeit gefallenen sprachlichen Ebene Underdog-Mentalität, beissende Satire, grosse Gefühle und vor allem – wundervolle Melodien. 

Rotwelsch, die Band von Philipp Maria Rosenberg (p), Florian Kolb (b) und Lucas Johnson (dr), legt ihrem neuen Album die Kassenschlager des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts zugrunde. Nimmt man den Stücken das auf die Unterhaltungskapellen der Nachkriegszeit und Schlagerparade-Abende angepasste Gewand ab, stösst man auf wahre Juwelen, die in ihrer Gesamtheit ein europäisches Pendant zum Great American Songbook bilden. Rotwelsch schüttelt daher den Ballast der im Dritten Reich arisierten und in der Nachkriegszeit idyllisierten Heile-Welt-Inszenierungen ab, und entfesselt diese im Kern schlanken Melodien, die sich dramaturgisch meisterhaft entfalten.

Die Band zielt darauf ab, die Melodien der Operette und der veristischen Oper mit derselben Subtilität, Finesse und Integrität ins Hier und Jetzt zu holen, die Keith Jarretts Trio bei seiner Aneignung des Great American Songbooks an den Tag legt. Als besondere Herausforderung erweist sich dabei, die melodischen Bögen, die einst Stars wie Richard Tauber, Fritz Wunderlich oder die Callas zu Höchstleistungen angespornt haben, auf die Hämmer des Klaviers zu übertragen und die Saiten zum Singen zu bringen. Durch eine ausgeklügelte Harmonisierung erhalten die Melodien neue Farben und dienen als ideale Grundlage für die improvisatorische Praxis. Mal baden die Stücke in emotionalem, warmem Schönklang; mal zelebrieren sie den Swing, den viele der lebhafteren Couplets bereits in sich tragen. Bass und Schlagzeug lassen der Entfaltung der Melodien viel Raum, indem sie zur reduzierten Atmosphäre beitragen und den bauchigen, klaren Klang in den Fokus nehmen. 

«Die Welt hat das genialste Streben so miserabel stets gelohnt» – ob sie bei dieser geballten Ladung an kreativem Umgang mit dem Great European Songbook eine Ausnahme macht?

Der Eintritt zum Konzert wird solidarisch erhoben. Am Ende geht der blaue Glashut herum. Die durchschnittliche Eintrittsempfehlung beträgt 20 Euro pro Person. 

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