„Wenn Goitom Kahsu in "Eza Alemna" („Unsere Welt“) sein Klagelied über die in den Fluten des Mittelmeers verlorenen Kinder angestimmt hat, machte sich das ganze Orchester mit ihm auf den Weg über das Meer. Badel Safi und Reshad Sultani sangen von Afghanistan, von der Heimat, die auch heute verloren scheint. Achtzehn Musiker*innen haben sie begleitet und sich musikalisch nach Kabul begeben, um uns hören zu lassen, dass wir stark werden, wenn wir zusammenkommen.“
Vor ziemlich genau zehn Jahren fand das Gründungstreffen des Interkulturellen Orchesters Göttingen statt. Mit reichlich Vorschuss-Lorbeeren gestartet, nämlich dem mit 20.000 Euro dotierten SozioK-Preis der Stiftung Niedersachsen für ein herausragendes Projekt-Konzept, ging es mit viel Idealismus und Begeisterung ans Werk.
Musikstücke sollten entstehen und neu interpretiert werden – von Musiker*innen aus aller Welt ausgewählt und gesungen. Nicht alle davon mit Notenkenntnissen. Auf Instrumenten gespielt, die nicht zum klassischen Orchester-Repertoire gehören. Geleitet und arrangiert von Hans Kaul, ehemals musikalischer Leiter am DT und seit vielen Jahren beim boat people projekt Göttingen.
Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt etwas von den vielen Geflüchteten, die 2015 und 2016 kommen sollten. Dass einige dieser Menschen trotz Fluchterfahrungen und anderer traumatisierender Erlebnisse in 2015 zum Interkulturellen Orchester fanden, war angesichts der Erfahrungen ein kleines Wunder.
Das war das Besondere und auch der Reiz an diesem Orchester: Jede und jeder brachte etwas mit von seiner Musik, und nahm alle mit - in den Irak, den Iran, nach Eritrea, Polen, Afghanistan, Frankreich, Simbabwe, Südafrika, Ägypten und Deutschland. Vieles wurde zu einem und mündete wieder in Vieles. Wir müssen uns bewegen, zu und mit den Rhythmen anderer Länder.
Menschen, die nach Deutschland flüchten mussten, haben genauso mitgemacht wie andere, die in Göttingen wegen der Liebe gelandet sind oder schon immer hier leben und einfach neugierig waren auf Musik fremder Kulturen.
Der berührende Höhepunkt war eine Tournee durch Niedersachsen in 2015, bei der der Tourbus Geflüchtete aus Massen-Unterkünften abgeholt und zum Konzert und damit zu einem kleinen Stück Heimat gebracht hat im novemberkalten Hannover, Hameln und Oldenburg.
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