Die Begeisterung spricht aus den Gesichtern von Friedhelm Honig und Fabian Froböse: Im Mai 2021 habe die Sanierung des Ratskellers in Moringen begonnen. „Da kamen die ersten Handwerker“, sagt Honig. Erste Früchte jahrelanger Vorbereitung. Ende 2023 soll das soziokulturelle Zentrum stehen.
Denn die Idee, den Ratskeller zu sanieren und als soziokulturelles Zentrum zu nutzen, ist laut Honig, nun Vorsitzender im zuständigen Verein, bereits 2015 geboren. Die Initiatoren sind neben Honig, der zweite Vorsitzende Fabian Froböse und Jan Schoppe. Sie alle seien „alte“ Moringer, die die Stadt nicht ohne den Ratskeller kannten. Schon als Kind habe er sich die Frage gestellt, warum das prominente Haus im Zentrum leerstehe, erzählt Froböse, heute 30 Jahre. Wie der Rentner Honig sei er mit dem Vereinsleben groß geworden. So war es für ihn auch nur folgerichtig, für die Erhaltung und Nutzung des Ratskellers einen weiteren Verein ins Leben zu rufen. Der wurde 2018 gegründet mit dem in die Geschichte verweisenden Namen „Ratskeller 1489 e.V.“. Aus dem Jahre 1489 stamme die erste schriftliche Erwähnung des Hauses, damals noch in der Kirchstraße, erklärt Froböse die Jahreszahl. Im Jahr 1734 sei Moringen komplett abgebrannt. Der Ratskeller am heutigen Platz sei 1736 errichtet worden.
Damals war die Stadt Eigentümer des Hauses. Sie vermietete den Ratskeller als Gasthaus. 1761, während des Siebenjährigen Kriegs, wurde der Ratskeller in ein Hospital verwandelt. Das zweite Stockwerk wurde 1824 aufgesetzt. Zum Verkauf habe die Stadt sich 1871 entschieden. Zwischenzeitlich sei der Ratskeller auch als Hotel betrieben worden.
Weil das Gasthaus in der Besitzerfamilie keinen Nachfolger mehr fand, wurde es extern vergeben. Doch alle Versuche schlugen fehl, den Ratskeller gewinnbringend zu betreiben. Selbst die Aufnahme ins Städtebauförderung und die Bereitstellung von 600.000 Euro im städtischen Haushalt haben laut Honig keinen Erfolg im Sinne einer sinnvollen Nutzung gezeigt.
Von Anfang an war für das Trio klar: „Wir wollen alle Auflagen erfüllen.“
Mehrfach hätten sie sich getroffen, um ihren Plan zu konkretisieren, sagt Honig. Bevor sie ihren Entwurf im Rat der Stadt präsentieren konnten, mussten sie wissen, was sie machen wollten und genauso, wie sie es machen wollten. Der Stadt und dem bisherigen Eigentümer waren die Ideen ausgegangen. Wegen vieler Auflagen durch den Denkmalschutz habe sich das Projekt als uninteressant für Investoren erwiesen. Von Anfang an war für das Trio klar: „Wir wollen alle Auflagen erfüllen.“ Trotzdem hatten sie es im Stadtrat nicht leicht. „Wir haben am Anfang kämpfen müssen, um den Stadtrat zu überzeugen.“
Plan ist es, im alten Ratskeller ein soziokulturelles Zentrum einzurichten, in dem sich „viele Leute für viele andere“ engagieren. Im Erdgeschoss soll ein Literatur- und Jugendcafé entstehen. Das erste Geschoss wird Räume für Vereine, Workshops, Seminare bieten. Viele Vereine und Firmen hätten schon ihr Interesse bekundet, nachgefragt, wann sie die Räume nutzen können. Das zweite Geschoss ist vorgesehen für Veranstaltungen jeglicher Art – Theater, Musik, Partys; Honig und Froböse können sich auch Hochzeitsfeiern vorstellen. In einem hinten angebauten Treppenturm werde ein zweiter Fluchtweg und ein Aufzug integriert, damit der Ratskeller barrierefrei werde.
Wir wollen hier in der Provinz Dinge schaffen, die das Leben in der Region lebenswert machen
„Wir machen kein Catering“, betont Honig. Das solle - möglichst - an ortsansässige Betriebe vergeben werden. „Wir wollen keine Konkurrenz sein.“ Vielmehr solle die örtliche Gastronomie vom Ratskeller profitieren. Auch die Stadthalle werde keine Nachteile haben. Im Ratskeller könne man mit Theaterbestuhlung etwa 80 Besucher unterbringen, stehend hätten etwa 200 Menschen Platz. Die Stadthalle biete 300 Sitzplätze.
„Bis vor 60/70 Jahren ist jede Veranstaltung hier im Ratskeller gewesen“, erzählt Honig. Derzeit gehe das kulturelle Leben in Moringen gegen Null. Wenn alles fertig ist, will der Verein Künstler einladen. „Ein Stückchen wollen wir den alten Ratskeller wieder herstellen. Wir wollen hier in der Provinz Dinge schaffen, die das Leben in der Region lebenswert machen“, so Honig. Außerdem sei es die Absicht des Vereins „ein Stück kulturhistorische Geschichte“ der Stadt zu erhalten.
Der Verein hat das Gebäude geschenkt bekommen. Doch es sei nicht gänzlich unbelastet gewesen, weiß Honig. Ein dreiviertel Jahr brauchte der Verein dafür, die Belastungen auszuräumen. Dann galt es, eine Kostenschätzung auszuarbeiten. Für die 3.000 Euro, die dafür nötig waren, habe sich schnell ein Sponsor gefunden. Die Kostenschätzung beließ sich auf 1,6 Millionen Euro. Nun hieß es Anträge stellen, um das nötige Geld für den ersten Bauabschnitt gewährt zu bekommen, zum Beispiel bei Bund und Land, der Stadt, der Kreissparkasse Northeim, der Niedersächsischen Sparkassenstiftung, Kultur- und Denkmalstiftung des Landkreises Northeim sowie der Deutschen Stiftung für Denkmalschutz.
Weil es in manchen Innenräumen schon Wasserschäden vom undichten Dach gab, wurde im ersten Bauabschnitt für 220.000 Euro der Dachstuhl erneuert und das Dach neu eingedeckt. Für den zweiten Bauabschnitt zur Fassadensanierung sowie der Erneuerung von Fenstern und Außentüren musste der Verein 360.000 Euro zusammenbringen. Da die Stadt befürchtete, dass der Verein wie seine Vorgänger scheitern werde, habe sie für diesen Abschnitt ihre Unterstützung zurückgezogen. Die Zweifel der Stadt kann Honig verstehen. Denn in den vergangenen 30 Jahren habe bezüglich des Ratskellers wohl zehnmal in der Zeitung gestanden: Jetzt geht’s los. Doch diesmal ging es tatsächlich weiter. Ende Oktober ist anvisiertes Ende für den zweiten Bauabschnitt. Fabian Froböse freute sich lange darauf, den Ratskeller in neuem Glanz zu sehen. „Es ist wirklich wie Weihnachten, die Vorfreude darauf, das Gebäude wieder ohne Gerüst zu sehen.“
Im dritten Bauabschnitt soll der Innenausbau erfolgen, Kostenpunkt 960.000 Euro. Im Abschnitt 3a werde für 250.000 Euro der Turm mit dem Fahrstuhl angebaut. Um 100.000 Euro werde so die Kostenschätzung überschritten. Damit können die Vereinsvorsitzenden angesichts der momentanen Preissteigerung leben.
Für den dritten Bauabschnitt will die Stadt ihre Unterstützung auch durch Hilfe vom Bauhof geben.
Das Nutzungskonzept haben die Moringer mit anderen soziokulturellen Zentren abgeglichen, die bereits ihren Betrieb aufgenommen haben wie bei Gronau oder in Freiburg an der Elbe. In der Anfangszeit ist vorgesehen, dass sich Vereinsmitglieder um das Kulturprogramm kümmern. Wenn es läuft, denken Honig und Froböse an die Einstellung einer 450-Euro-Kraft. Später soll ein hauptamtlicher Geschäftsführer die Organisation des Betriebs übernehmen.
Rund 100 Mitglieder zählt der Verein „Ratskeller 1489“ Mitte Oktober mit stetig wachsender Tendenz. Am Tag des Offenen Denkmals Anfang September sind zur Freude von Honig und Froböse rund 400 Interessierte zur Besichtigung des Baufortschritts in Moringen gekommen, viele hätten Mitgliedsanträge mitgenommen. Bei einem Rundgang durch das Objekt zeigen die Vereinsvorsitzenden stolz, was die Mitglieder in 500 Stunden Eigenarbeit dazu beigetragen hätten. Angefangen vom Saubermachen und viel Unrat wegschaffen hätten sie den Schornstein zum Teil abgerissen, die alten Fenster rausmontiert, Dachziegel gebohrt, um sie als Behang nutzen zu können und Blähton zur Dämmung nach oben geschafft.
Auch die Moringer Bürgermeisterin Heike Müller-Otte kann der Verein zu seinen Mitgliedern zählen. Mittlerweile genieße er außerdem die volle Unterstützung des Stadtrats. Für den dritten Bauabschnitt will die Stadt ihre Unterstützung auch durch Hilfe vom Bauhof geben.
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