„Wir lieben Kunst und Kultur“, sagen Annegret und Rainer Maring. Diese Aussage begründet wohl auch ihre große Motivation, sich in Duderstadt privat für ein erweitertes kulturelles Angebot zu engagieren. 2018 eröffnete das Ehepaar die „Kulturstube“ in einem gotischen Fachwerkhaus von 1550, mitten in der historischen Altstadt.
„Die Kulturveranstaltungen sind ja schon mit der Buchhandlung gekommen“, blickt Annegret Maring zurück auf die Anfänge. Im Jahr 1999 hat sie das Traditionsgeschäft der Gebr. Seseke, das seit 1928 existiert, übernommen, umgebaut und erweitert. Seit 2006 wurden die Räume der Buchhandlung auch für Veranstaltungen und Lesungen genutzt, wobei der historische Gewölbekeller eine ganz besondere Atmosphäre bot. Allerdings ist dort der Platz recht begrenzt.
Als der Göttinger Literaturherbst ab 2014 begann, auch Veranstaltungsorte außerhalb Göttingens zu bespielen, wodurch übrigens rund 5000 Besucher zusätzlich verzeichnet werden konnten, wurden die Buchhandlung Seseke sowie die Stadt Duderstadt zu Kooperationspartnern im Eichsfeld. Da in diesem Rahmen auch viele Gäste von Außerhalb zu den Lesungen kamen, wurden die Veranstaltungen u.a. ins historische Rathaus verlegt. „Dazu haben wir uns oft etwas Besonderes einfallen lassen“, erzählt Rainer Maring schmunzelnd. Als Peter Prange zum Beispiel seinen Wirtschaftswunder-Bestseller „Eine Familie in Deutschland – Am Ende der Hoffnung“ in Duderstadt vorstellte, organisierten die Marings mehrere VW-Oldtimer, die einladend vor dem Rathaus platziert wurden und die Gäste schon mal auf die Zeitreise einstimmten.
Allerdings gibt es auch Kulturveranstaltungen, die das Rathaus vielleicht nicht ausfüllen würden, für die aber der Platz in der Buchhandlung nicht ausreicht. Als sich dann die Chance bot, das gotische Fachwerkhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu sanieren, war schnell klar, dass hier auch ein Ort für Kultur geschaffen werden sollte.
Die „Kulturstube“ bietet Möglichkeiten für Kinder, Jugend, Senioren, Dienstleistung, Beratung, für Gastronomie oder gar als „Denk-Bar“, als (Vor)-Lesesaal und Kunstquartier und vieles mehr.
„Wir befinden uns mitten im Strukturwandel, der durch Corona nochmal verstärkt wurde“, sagt Annegret Maring. In Zeiten des Internethandels und des Fachkräftemangels seien die Innenstädte nicht mehr nur mit Geschäften und Gastronomie zu beleben. Während in der oberen Etage des gotischen Hauses eine moderne Ferienwohnung eingerichtet wurde, sollte die untere ehemalige Ladenfläche und der in den 1960-er Jahren angebaute Lagerraum kreativ genutzt werden können. Die alten Eichenbalken bilden heute einen warmen Kontrast zu den kahlen, grauen Steinwänden, Historisches kommt in der Gegenwart an und trifft auf Modernes. Der Raum selbst bietet Atmosphäre, drängt sich aber nicht auf, sondern lässt sich entsprechend der jeweiligen Nutzung ganz individuell gestalten.
„Wir organisieren hier selbst Kulturveranstaltungen, aber vermieten den Raum auch an andere Kreative für eigene Projekte“, erklärt Rainer Maring und präsentiert gleich den Flyer, wo schon verschiedene Ideen aufgelistet sind: Die „Kulturstube“ bietet Möglichkeiten für Kinder, Jugend, Senioren, Dienstleistung, Beratung, für Gastronomie oder gar als „Denk-Bar“, als (Vor)-Lesesaal und Kunstquartier und vieles mehr.
Da der Raum zentral gelegen und damit auch öffentlich sichtbar ist und über eine stattliche Größe verfügt, bot er sich bereits mehrfach für spartenübergreifende Kulturveranstaltungen an. Zur Vernissage der Fotoausstellung von Hendrik Faure gab es eine einleitende Tanzperformance. Die Bilderausstellung „FARB-TÖNE – Eine Hommage an Beethoven“ des Kunstvereins Kontura wurde gleich mit thematisch passender Klaviermusik begleitet. Das Piano haben Familie Maring und Dr. Godehard Kirscht gemeinschaftlich angeschafft und stellen es für Veranstaltungen zur Verfügung.
Die „Kulturstube“ selbst wurde schon zum Forschungsobjekt der Innenarchitektin Inga Helena Bruns, die für ihre Bachelorarbeit an der TU Ostwestfalen-Lippe / Detmold die Aufgabe hatte, deutsches Fachwerk mit koreanischem Stil für eine Restauranteinrichtung zu verbinden. Die Ergebnisse der Bachelorarbeit wurden ebenfalls in der „Kulturstube“ ausgestellt.
Nicht nur finanziell, auch zeitlich haben die Marings viel in das zusätzliche Kulturangebot in Duderstadt investiert, zumal die Veranstaltungen immer abends oder an den Wochenenden stattfinden. „Wir empfinden den zusätzlichen Zeitaufwand nicht als Belastung. Unsere Kinder sind erwachsen und unterstützen unsere Projekte. Wir engagieren uns gern, um Leute in die Stadt zu bringen. Wir freuen uns auf neue Netzwerke und sind offen für alles“, sagt Rainer Maring. Das Ehepaar hofft, mit seinem Engagement in Duderstadt weitere Anregungen zu bieten und am Strukturwandel mit positivem Beispiel mitzuwirken.
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