Die Tür geht auf, Akkordeonklänge kommen aus einer Ecke, es wird dazu gesungen und der Kachelofen ist geheizt. Unter das Murmeln und Lachen der ersten Gäste mischt sich ein Flötenton, eine Mandoline wird gestimmt und man fachsimpelt über Größe, Form und Bauweise der Instrumente. Die Kulturmühle Buchhagen hat zur „offenen Bühne“ eingeladen. Man kennt sich, ist voller Vorfreude und hat einen bunten Abend vor sich.
Das war nicht immer so. Denn das Gebäude der Kulturmühle ist eine ehemalige Schleifmühle und zählt zu den historischen Bauten in Niedersachsen, die in die Denkmalliste eingetragen sind. Nur wenige Kilometer von Bodenwerder entfernt, stand das 1867 gebaute Ensemble mit Mühle, Stall, zwei Scheunen und Arbeitswohnhäusern nach wechselvoller Geschichte seit 1970 leer. Komplett aus dem in der Region gewonnen Sandstein gebaut, drohte die Mühle zu zerfallen und galt als vergessene Ruine.
Engagierte Bürger haben 1998 begonnen, das verfallene Gebäude wieder mit Leben zu füllen. Der Kulturverein Kaleidoskop e.V. wurde gegründet und hatte zunächst mit der denkmalgerechten Sanierung des Kulturerbes zu tun. Die Unterstützung durch die deutsche Stiftung Denkmalschutz, das Land Niedersachsen und Mittel der EU machen die überregionale Bedeutung des Gebäudeensembles deutlich. Doch auch regionale Stiftungen und die Privatwirtschaft haben beim Wiederaufbau geholfen. Dem gemeinnützigen Verein Kaleidoskop war der Wiederaufbau jedoch nicht genug. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, weiter für den Erhalt des historischen Gebäudes zu sorgen und ein Kulturzentrum im ländlichen Raum zu entwickeln und zu bespielen. Nach der Sanierung konnte 2008 damit begonnen werden und zum bevorstehenden 15-jährigen Jubiläum kann man eindeutig sagen: Mission erfüllt!
Neben der Gemeinschaft aus Vorstand, ehrenamtlichem Engagement und Aktiven aus der Region, hat Ruth Emanuel als Geschäftsführerin die letzten zehn Jahre geprägt. Die Liebe hat die studierte Kulturwissenschaftlerin nach Buchhagen geführt. Nichtahnend, dass hier noch eine zweite Entdeckung auf sie wartete, hat sie sich sofort in die Kulturmühle verliebt. Von der „Weltbühne Heckenbeck“ kommend, hat sie 2011 die Geschäftsführung übernommen. Sie brachte also Erfahrung mit und war bereit für die neue Aufgabe. Dabei galt es zunächst, die aus dem benachbarten Bodenwerder kommende Skepsis zu überwinden. Neben der Kulturmühle lebt eine Kommune. „In Bodenwerder sprach man eher von den komischen Hippies als von der Kulturmühle“, erinnert sich Ruth Emanuel. Dass hier ein gänzlich falsches Bild gezeichnet wurde, hat sie schnell klar machen können. In einem kontinuierlichen Prozess wurden das Programm und die Aktivitäten weiterentwickelt und professionalisiert.
Die Mühle hat sich noch mehr geöffnet. Damit ist nicht nur das Etablieren des stimmungsvollen Cafés als Ausflugsort und Begegnungsraum gemeint, sondern ganz besonders die Kooperationen in die Kommune Bodenwerder hinein. Vorurteile wurden abgebaut, der Verein Kaleidoskop ist mit verschiedensten Aktivitäten auch in Bodenwerder aktiv geworden und hat sich mit anderen Kulturanbietern, der Politik und Verwaltung vernetzt. „Bodenwerder wird bunt“ und „Bodenwerder MACHT selbst!“ sind vom Bundesprogramm LandKULTUR geförderte Projekte, die weit über das Veranstalten von Konzerten hinausgehen. Doch auch als Veranstalter hat sich der Verein in den letzten zehn Jahren weiterentwickelt. Neben Konzerten, Theater, Filmabenden und Mitmachkonzerten wurden Ausstellungen und Workshops durchgeführt. „Das Café ist für viele Besucher wie ein zweites Wohnzimmer geworden“, freut sich Ruth Emanuel. Die menschlichen Begegnungen sind ihr wichtig und die persönliche Begrüßung als Gastgeberin auch. So, als hätte sie privaten Besuch. Doch auch der benachbarte Saal lässt Besucher zu Wiederholungstätern werden. Die historische Atmosphäre und die stilvolle Sanierung bis ins Detail, lassen die Besucher sofort entspannen. Zu Geburtstagen, Hochzeiten und anderen privaten Feiern wird hier gerne eingeladen.
Gelegen zwischen Bodenwerder und Holzminden, wirkt die Kulturmühle in Buchhagen zunächst etwas abgelegen. Es gibt Besucher, die fünf Jahre lang auf ihrer täglichen Strecke daran vorbei gefahren sind und erst jetzt das Kleinod entdeckt und lieben gelernt haben. Immer noch ist es so, dass mehr Besucher aus dem Umland kommen und bis zu 30 Kilometer Fahrstrecke in Kauf nehmen. Die Mühle hat sich als Ausflugsort und Veranstaltungszentrum einen festen Namen im Kulturkalender und der Landkarte des Landkreises erarbeitet und wird dieses weiterhin tun. 65 Mitglieder sorgen für Kontinuität. Einige von ihnen übernehmen schon seit über zehn Jahren Dienste im Tagesablauf: Kochen, Abendkasse, Thekendienst aber auch mal putzen oder aufräumen. „Irgendwie sind es trotzdem immer fünf zu wenig“, merkt Ruth Emanuel lachend an. Doch es gibt auch bezahlte Jobs. Es gibt zwei Minijobs und die Geschäftsführung gehört auch dazu.
Und plötzlich ändert sich der Tonfall. Nach zehn Jahren in Bodenwerder, lockt es Ruh Emanuel an die Ostsee zu neuen Herausforderungen im kulturellen Bereich. Es wird also Veränderungen in diesem vitalen Kosmos der Kulturmühle Buchhagen geben. Die Stelle der Geschäftsführung ist ausgeschrieben. Nicht nur Ruth Emanuel hatte die Fäden in den letzten Jahren in der Hand. Mechthild Steinhauer hat die Gründungsjahre gestaltet und Bea Martinek führte für zwei Jahre den Verein in Vertretung. Man weiß also zu schätzen, dass es durch Führungswechsel auch neue Impulse für die weitere Entwicklung geben kann. Daher wünschen sich die Vereinsmitglieder eine richtig gute Neubesetzung. Alle zeigen sich pragmatisch und sind doch emotional involviert. Denn die Gestaltung eines solchen kulturellen Biotops ist kein „Job“, sondern eine Leidenschaft die mit viel Liebe, Hingabe und Menschenkenntnis gefüllt werden muss.
Wer die KulturMühle live in Aktion sehen will, hat z. B. bei der nächsten offenen Bühne am 17. Dezember dazu die Gelegenheit.
Fokus
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Im Artikel genannt
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KulturMühle Buchhagen
Kulturelle Vielfalt mit Raum für Ideen
Kaleidoskop e.V.
Betreiberverein der KulturMühle Buchhagen
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