Wenn man am Göttinger Wall spazieren geht oder die Bürgerstraße entlangfährt, ist es schwerlich zu übersehen: Fahnen mit der Aufschrift „Kultur am Wall“ zeigen an: Hier hat die Kultur ihr Zuhause. Sie machen aufmerksam auf den beeindruckenden Bau der ehemaligen Voigtschule – der heutigen Heimat vom Jungen Theater und dem Kommunikations- und Aktionszentrum KAZ e.V. Letztgenanntes möchte ich heute gerne näher vorstellen.
Würde es das KAZ noch nicht geben, man müsste es wohl erfinden. Seit nunmehr fast 50 Jahren, genauer gesagt seit 1976, steht das soziokulturelle Zentrum am Wall wie wenig andere zuverlässig als Beförderer kultureller Vielfalt und Bildung in Göttingen. Es bietet Raum und jede Menge Platz für die Entfaltung eigener Ideen und trägt somit maßgeblich zur Belebung der Universitätsstadt an der Leine bei. Eine echte Perle im Kulturbereich und tolle Bereicherung. Allein das Programm für das erste Halbjahr 2024 kann sich sehen lassen: Abwechslungsreiche Veranstaltungen, Kurse und Workshops in den Bereichen Tanz, Theater, Akrobatik, Bewegung, Musik, KAZ Digital oder Kunst und Gestaltung kann man buchen. Über 50 Mitgliedsgruppen aus verschiedenen Ländern sowie ein erfahrenes Team freuen sich auf neue Ideen und sind weiteren Anregungen gegenüber aufgeschlossen. Teilhabe und Selbstbestimmung, Förderung von Eigentätigkeit, Kreativität sowie den Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft werden hier großgeschrieben. Selbstredend gibt es zudem spezielle Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien.
Auch Bildung und Vielfältigkeit spielen im KAZ eine wichtige Rolle. Wer nicht ins KAZ kommen kann, zu dem kommt es mit seinen Projekten. Einrichtungen, wie beispielsweise Kindertagesstätten, Schulen, Horte oder Seniorenzentren werden besucht. Eine Übersicht gibt es dazu auf www.kaz-goettingen.de/projekte. Darüber hinaus arbeitet das Kulturzentrum mit Institutionen und Initiativen aus dem kulturellen und sozialen Sektor eng zusammen. Der monatliche Mitgliedsbeitrag ist moderat gehalten und somit für die breite Masse erschwinglich. Für Studis mit Kulturticket sogar besonders günstig. Denn in der Keramikwerkstatt sind Termine in der Woche für Studentinnen und Studenten kostenfrei. Außerdem können sie drei Monate lang kostenlos an der Akrobatik- und Jongliergruppe teilnehmen sowie einen Monat lang für lau einen Yogakurs besuchen. Für Kunstkurse wird eine Ermäßigung gewährt. Für eine detaillierte Übersicht der bestehenden Gruppen, Arbeitskreise und Initiativen siehe www.kaz-goettingen.de/das-kaz/kaz-gruppen.
Die Geschäftsleitung vom KAZ – bestehend aus Anne Moldenhauer und Susanne Köwing – nahm sich Zeit für ein Gespräch mit unserem Kulturmagazin. Sie kennen natürlich auch aus eigener gemachter Erfahrung die tollen Angebote im Haus. So hatte Anne Moldenhauer einst begeistert am Kunstworkshop „Freies Malen auf Yupopapier“ teilgenommen. Susanne Köwing ist seit über 30 Jahren Mitglied im KAZ.
Frau Moldenhauer und Frau Köwing, wie viele Mitglieder hat eigentlich das KAZ?
Wir haben 237 Mitglieder, darunter sind auch Institutionen und Vereine wie beispielsweise das Rockbüro, die Jugendhilfe Göttingen, das Migrationszentrum, die Partei Volt oder das Queere Zentrum.
Muss man unbedingt Mitglied sein, um hier Kurse besuchen zu können?
Nein. Um an Kursen oder Workshops, Projekten und Veranstaltungen teilzunehmen oder diese zu besuchen, muss man kein Mitglied sein.
Welche Vorteile bringt eine Mitgliedschaft denn mit sich?
Zum einen kann man an der Mitgestaltung des Vereins über die Ausschusssitzungen mitwirken. Man kann an KAZ Gruppen-Terminen kostenfrei teilnehmen, vergünstigt Räume am Wochenende für Workshops anmieten und wird darüber hinaus über alle Vereinstätigkeiten informiert.
Warum sollte man das KAZ besuchen, was macht es aus Ihrer Sicht einzigartig?
Das KAZ bietet viele Möglichkeiten, seine kreativen und kulturellen Interessen zu verwirklichen. In allen Sparten von Kunst über Musik, Tanz, Literatur bis hin zu Gesundheit und Bewegung werden Kurse, Workshops oder Unterricht angeboten. Darüber hinaus gibt es Veranstaltungen zum Empowerment (Anmerkung der Redaktion: Selbstkompetenz), es werden Deutschkurse angeboten und Ausstellungen gezeigt. Besonders ist die Vielfalt des Angebotes der Dozentinnen und Dozenten sowie der Altersspanne zu erwähnen, für die wir etwas anbieten, nämlich von fünf bis über 70 Jahre. Unsere Mitglieder, Dozentinnen, Dozenten, Nutzerinnen und Nutzer haben Wurzeln in unterschiedlichsten Ländern.
Wir haben sowohl offene Gruppen, die sich selbst anleiten, als auch Kurse mit Anleitung durch Dozentinnen und Dozenten. Einige Angebote sind kostenfrei. Wir versuchen, das Motto „Kultur von allen – für alle“ zu leben. Gleichzeitig bieten wir den Raum für neue Ideen und unterstützen bei der Realisierung von neuen Angeboten oder Projekten. Das KAZ hat einen großen Schwerpunkt im Bereich der kulturellen Bildung mit zahlreichen Angeboten für Kinder und Jugendliche. Auch hier sind alle Sparten vertreten, und es gibt immer wieder kostenfreie Angebote bei Projekten in Göttingen und im Landkreis.
Wenn die Restaurierung Ihres ursprünglichen Stammhauses, dem Otfried Müller Haus am Wochenmarkt, erfolgt ist, bleibt das KAZ in der Bürgerstraße 15 oder ist ein Umzug zurück geplant?
Nein, wir dürfen an dem aktuellen Standort bleiben. Für uns sind die Räume auf Grund der Größe und Lage viel besser geeignet als am alten Standort. Dieser wird nach der Restaurierung auch keinen Platz mehr für das KAZ bieten. Seitdem wir hier in der Bürgerstraße sind, haben wir schon über 20 Ausstellungen durchgeführt.
Wie ich erfahren habe, wird das KAZ in zwei Jahren stolze fünfzig Jahre alt. Gibt es für das runde Jubiläum schon konkrete Feierpläne?
Wir sammeln noch. Aber es wird nicht DIE eine Veranstaltung geben, sondern verschiedene Formate, die wir auch gerne mit Gästen gestalten wollen.
Gibt es Neuerungen, besondere Aktionen, Veranstaltungen in 2024, die unbedingt erwähnt werden sollten?
Ja, die gibt es. Zum Beispiel „Concert – Ruddy Estévez The Caribbean Tenor“ mit Pianobegleitung durch Janina Koeppen am Sonntag, den 07. April, um 19 Uhr im Saal des Jungen Theaters. Es handelt sich dabei um ein klassisches Crossover-Konzert mit Solo-Piano und Gesang. „ANAR DANA – Tänze unterm Sichelmond“, ebenfalls auf der Bühne im Jungen Theater am Sonntag, den 02. Juni, um 19.30 Uhr. Es ist das traditionelle Tanztheater von Helene Eriksen und präsentiert Frauentänze und Kulturen aus den Regionen zwischen Nordafrika und Nord-Indien. ANAR bedeutet Granatapfel und DANA Samen. Der Name symbolisiert die Schönheit kollektiver Traditionen, bei der jeder Kern einzigartig und leuchtend ist. Dann natürlich zu nennen unser KAZ-Sommerfest am Samstag, den 15. Juni, mit Bühnenprogramm und Workshops gemeinsam mit dem Méliès und vermutlich dem Jungen Theater.
Wo sehen Sie das KAZ in fünf Jahren, was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Das wir auch weiterhin „ Raum für deine Ideen“ sind und uns mit neuen Ideen, Mitgliedern und Besucherinnen/Besuchern in unseren Angeboten ständig weiterentwickeln. Wir sind ein Kulturzentrum für Begegnungen und Austausch und ein fester Bestandteil der Aktionen und Veranstaltungen im Göttinger Leineviertel. Gemeinsam mit den anderen Nutzerinnen und Nutzern im Haus und nebenan, dem Kino Méliès, führen wir Projekte und Veranstaltungen durch und sind ein spannender Kulturort am Wall. Wenn sich der Hype um Künstliche Intelligenz und virtuelle Realität mal etwas abmildert, erhoffen wir uns eine noch größere Nutzung unserer Angebote. Schon nach der Corona-Pandemie haben wir gemerkt, dass die Menschen wieder große Lust haben, wieder selbst etwas zu machen.
Wenn ich eine zündende Idee für eine Veranstaltung oder einen Kurs hätte – könnte ich das im KAZ auch anbieten oder muss ich dafür Mitglied sein?
Erstmal müssen Sie kein Mitglied sein. Wenn Sie aber einen Raum regelmäßig nutzen möchten oder einen der KAZ-Termine im Jungen Theater, dann müssen Sie Mitglied werden.
Zurzeit läuft die Fotoausstellung „Die Stimmen Europas“. Ursprünglich sollte sie am 12. März enden. Nun ist sie aber bis zum 12. April verlängert. Dieses Fotoprojekt möchte vor dem Hintergrund der bevorstehenden Europawahl im Sommer 2024 Bilder eines vereinten Europas präsentieren. Das Besondere an den Fotos: Sie sind analog fotografiert und absichtlich doppelt belichtet. Im Hintergrund der Fotos gibt es europäische Landschaften oder Bauwerke zu sehen. Im Vordergrund die Porträts der dazugehörigen Europäer. Damit soll das Wertvollste, was Europa zu bieten hat, hervorgehoben werden, nämlich die Menschen. Diese Kunstaktion unterstreicht die Verbundenheit der Menschen mit ihrem jeweiligen Heimatland sowie die Vielfalt Europas und hebt die Gemeinsamkeit unter den EU-Bürgern hervor, so die Absicht der Aussteller.
Nähere Informationen dazu sind unter www.kaz-goettingen.de/die-stimmen-europas-fotoausstellung-im-kaz zu finden. Während der Dauer der Ausstellung steht ein Ausstellungsteam jeden Samstag um 14 Uhr im KAZ für Führungen zur Verfügung. Der Eintritt ist frei.
Im Anschluss wird es eine Kunstausstellung der IGS Bovenden namens „Future“ vom 18. April bis zum 31. Mai geben. Dabei möchte die IGS Bovenden einen Blick in die Zukunft wagen, heißt es in der Vorankündigung. Die Ausstellungseröffnung ist für Mittwoch, den 17. April, um 17 Uhr vorgesehen. Auch hier ist der Eintritt ebenfalls frei. Werden Ausstellungen angeboten, kann man sich diese an jedem Öffnungstag vom KAZ in der Zeit von 10 Uhr bis 18 Uhr ansehen.
Mein Fazit:
Ich konnte mich während meiner Stippvisite von der Leistungsfähigkeit und Vielfalt der Angebote im KAZ überzeugen. Hier ist ein hoch motiviertes Team zugange. Stets bestrebt, den Besucherinnen und Besuchern sowie den Mitgliedern ein möglichst abwechslungs- und umfangreiches Portfolio in Sachen Kultur anzubieten. Ob Jung oder ältere Semester, für jede Altersstufe ist bestimmt etwas dabei. Also nichts wie runter vom Sofa und dem KAZ einfach einmal einen Schnupperbesuch abstatten. Denn hier am Göttinger Wall in der Bürgerstraße 15 haben Kunst und Kultur ein Zuhause und ihre Heimat gefunden.
Fokus
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Im Artikel genannt
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KAZ – Göttinger Kommunikations- und Aktionszentrum
Raum für Deine Ideen
Kino MÉLIÈS
Kino am Wall
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