Willkommen zurück in Göttingen. Was haben Sie seit den letzten Festspielen alles so gemacht?
Ich war mit Antonio Vivaldis Oper »Giustino« in Drottningholm in Schweden. In Köln habe ich den »Barbier von Sevilla« dirigiert, ich habe Händels »Ariodante« gemacht, ich war in Venedig im La Fenice, in Paris, Barcelona, in Amsterdam, in Wien und natürlich in Athen.
Wurden Sie an Ihren Aufenthaltsorten hin und wieder auf Ihr Engagement in Göttingen angesprochen?
Aber ja, sehr häufig. Überall wurde ich auf die Händel-Festspiele in Göttingen angesprochen. Es gibt ein großes Interesse an dem, was ich hier in Göttingen mache.
Das Motto der diesjährigen Internationalen Händel-Festspiele Göttingen lautet »Hellas!« - es könnte genauso auch »Petrou!« heißen, oder?
(Lacht) Nein, natürlich nicht! Händel und »Hellas« sind auf eine gewisse Art eng verbunden durch die Aufklärung und die Renaissance. Die klassische griechische Kultur war eine Inspiration für die Renaissance. Das ist die Verbindung zwischen Händel und Griechenland, diesen Link wollen wir in den Festspielen mit diesem Motto aufzeigen. Mit »Hellas« ist nicht nur die Verbindung zwischen Händels größten Meisterwerken und der klassischen griechischen Kultur gemeint, sondern auch die Verbindung zu späteren Komponisten bis hin zu zeitgenössischen griechischen Komponisten. Das ist ein sehr großes Spektrum, das wir hier abbilden werden.
Was können wir von den Festspielen erwarten?
Ich erhoffe mir, dass die Händel-Festspiele immer wieder überraschen können. Also kann das Publikum jedes Jahr etwas anderes erwarten. Das betrifft auch meine Rolle während der Festspiele: in diesem Jahr führe ich Regie in der Oper und dirigiere das Oratorium. Im nächsten Jahr wird sich das ändern. Damit haben wir die Chance, andere Künstler einzuladen und so einen anderen Ansatz kennenzulernen, Händels Musik umzusetzen.
Und es sind noch weitere Änderungen zu erwarten: es wird nicht nur Musik von Georg Friedrich Händel zu hören sein, sondern auch die von anderen Komponisten, die auf vielfältige Art und Weise mit Händel verbunden sind.
Die Festspieloper »Semele« – ist das überhaupt eine Oper oder nicht vielmehr ein Oratorium?
Zunächst einmal: Händels Oratorien sind Opern! Es gibt keine Unterschiede zwischen den Oratorien und den Opern – mit einer Ausnahme, das sind die Chorpartien, die in den Oratorien wesentlich größer und anspruchsvoller sind. Die Oratorien sind eigentlich nicht dafür geschrieben worden, auf der Bühne gespielt zu werden. Darum konnten sie für den Chor umfangreicher ausgearbeitet werden, denn die Sängerinnen und Sänger mussten die Noten nicht auswendig lernen. Das ist die besondere Herausforderung für den Kammerchor Athen, der die Chorpartie übernehmen und zusätzlich noch auf der Bühne spielen wird.
Insgesamt sind die Oratorien im Grunde genau wie Opern konzipiert. »Semele« ist eine großartige Oper. Das Werk wurde zu seiner Zeit kritisiert, weil es zu sehr wie eine Oper und zu weltlich für ein Oratorium sei. Das Publikum hat damals in Oratorien biblische Themen erwartet. Hier aber haben wir eine Geschichte über Liebe, Lust und Eitelkeit – eben eine typische Geschichte aus dem antiken Griechenland, die den Weg in das 18. Jahrhundert mit einem wunderbaren Libretto gefunden hat. Ich halte es für eines der besten Libretti in Händels Werken. Es ist extrem poetisch.
Also erleben wir ein Oratorium auf der Opernbühne?
Es ist das erste Mal, dass bei den Festspielen ein Oratorium auf die Bühne gebracht wird. Normalerweise hatten wir eine Oper und ein Oratorium, jetzt haben wir zwei Oratorien. »Semele« auf der Bühne des Deutschen Theaters und »Hercules« in der Göttinger St. Johanniskirche und in der Elbphilharmonie Hamburg. Und auch »Hercules« ist eine typische Geschichte von einem griechischen Superhelden, die die Ästhetik des 18. Jahrhunderts beeinflusst hat.
Ist das Ihre erste »Semele«-Produktion?
Nein, ich glaube meine dritte, aber die erste in Göttingen. Bei dieser Produktion geht es mir nicht nur um das Oratorium »Semele«, sondern darum, ein Oratorium szenisch auf der Bühne umzusetzen. Das ist mit enormen logistischen und probentechnischen Herausforderungen verbunden, vor allem für den Chor. Aber ich möchte das unbedingt machen, um dem Göttinger Publikum etwas Neues präsentieren zu können. Die Opern hat man immer wieder gehört und werden auch in Zukunft wieder gespielt. In diesem Jahr gibt es etwas Neues.
Diese Form der szenischen Umsetzung eines Händel-Oratoriums hat es im Übrigen auch schon gegeben, zum Beispiel in München oder Glyndebourne.
Im letzten Jahr war die Festspieloper »Giulio Cesare in Egitto« eine Koproduktion mit der Nederlandse Reisopera. Gibt es in diesem Jahr erneut eine Kooperation?
Ja, und zwar mit dem Olympia Theater „Maria Callas“ in Athen. Dort wird »Semele« im November Premiere haben. Kooperationen sind der einzige Weg, um solche Produktionen möglich zu machen: der finanzielle und technische Aufwand wird geteilt, und die Oper wird an mehreren Häusern gespielt. Ich denke, das werden wir in Zukunft weiterführen.
Ab wann sind die Künstler:innen in der Stadt?
Ab dem 7. Mai, vorher probe ich mit dem Chor in Athen.
Was haben wir vom FestspielOrchester (FOG) zu erwarten?
Für das FOG waren schon die Festspiele 2022 eine große Herausforderung, weil das Orchester ständig im Einsatz war. Und in diesem Jahr wird es noch mehr gefordert. Neu wird sein, dass das Barockorchester auch Musik aus einer späteren Epoche spielen wird. Da ist zum einen das Oratorium Medea vom Mozart-Zeitgenossen Georg Anton Benda, und zum anderen gibt es zwei Werke von 1942 und 1959 geborenen griechischen Komponisten zu hören, die eigens für Barockinstrumente geschrieben worden sind. Ich mag diese Kombination aus moderner Komposition und dem historischen Klang.
Gibt es für Sie besondere Favoriten bei den Festspielen?
Besonders freue ich mich auf das Chorkonzert am 22. Mai mit dem Kammerchor Athen. In der Göttinger Marienkirche wird geistliche und weltliche A-cappella-Musik zu hören sein.
Auch liegen mir die vielen Konzerte in der Umgebung am Herzen – es gibt großartige Konzertorte mit großartigen Konzerten.
Ein besonderer Höhepunkt ist natürlich das Galakonzert am letzten Festspieltag mit der Sopranistin Jeanine De Bique und dem Concerto Köln.
Wir haben das Glück, Weltklasse-Sänger:innen in Göttingen zu Gast zu haben. Darauf bin ich durchaus stolz!
Wie sehen Sie die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen in Zukunft?
Mein persönliches Motto auch für die Zukunft: jedes Jahr muss es etwas Neues, Unerwartetes geben. Aber nicht, um der Überraschung willen, sondern damit das Publikum in jedem Jahr etwas Neues erwarten kann.
Ich wünsche Ihnen und uns erfolgreiche Festspiele 2023 und danke für dieses Gespräch.
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