Ist unendliche Lebenszeit noch wertvoll?

Maxim Leo liest aus „Wir werden jung sein“

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Am Abend des 6. Aprils war Schriftsteller und Drehbuchautor Maxim Leo zu Gast im Literaturhaus Göttingen um im Rahmen des Literaturfestes der Frühjahrslese seinen neuen Roman »Wir werden jung sein« vorzustellen. Dieser behandelt das Thema der Verjüngung der Menschheit. An vier aus unterschiedlichen Altersklassen kommenden Personen, die an einer chronischen Herzschwäche leiden, wird ein Medikament getestet, das ihre Krankheit durch gezielte Zellneuprogrammierung verbessern soll. Bald stellt sich jedoch heraus, dass diese Arznei nicht nur die geschwächten Zellen des Herzens stärkt, sondern auf den ganzen Körper einwirkt und dadurch das biologisches Alter der Probanden erheblich senkt. Eine medizinische Revolution; doch wie wirkt sich ein solcher Umbruch auf die Gesamtheit der Menschen aus? Wie wird die Politik mit dieser neuen Möglichkeit umgehen, und wie ergeht es den Personen, die einen solchen Verjüngungsprozess durchleben? 

Ein alles andere als Sciencefiction-mäßige Szenario, erklärte der Autor schon zu Beginn der Veranstaltung, in der er mit der Moderatorin und Kulturjournalistin Andrea Schwyzer in den Dialog trat. Die weltweiten Forschungen laufen auf Hochtouren, sodass es keine Frage des Ob, sondern des Wann sei. Die Aktualität des Themas, die besonders deutlich werde, brachte den Schriftsteller auf die Idee, einen Roman um diese Wissenschaft zu konstruieren. Trotz des doch ernsten Zukunftsszenarios trat Maxim Leo sehr humorvoll und authentisch auf die Bühne. Es entwickelte sich nicht nur ein Gespräch zwischen Andrea Schwyzer und ihm, sondern auch das Publikum merkte immer wieder Dinge an, auf die direkt eingegangen wurde, sodass eine angenehme Atmosphäre im sehr gut besuchten Literaturhaus entstand, in der viel gelacht werden konnte.

Bevor die erste Textstelle vorgestellt wurde, fragte Andrea Schwyzer zunächst das Publikum, wer denn eine solche Verjüngungspille nehmen würde, wobei sich ungefähr die Hälfte der Besucher:innen dafür aussprach. Dies sollte sich auch nicht – aufgrund von zu großer Neugier auf die Wirkung – durch das eher trostlose Los des über 80-jährigen Immobilienmoguls Wenger (einer Figur des Romans) ändern, der durch seine eigene Verjüngung nun doch noch mehr Lebenszeit erhalten hat als erwartet. Die gewonnene Zeit überfordert den Geschäftsmann, der es nicht gewöhnt ist, Langeweile zu spüren und nach dem Sinn des Lebens zu suchen.

Hochspannendes und aktuelles Thema

Auch wenn Maxim Leo über eine eher monotone Art des Vorlesens verfügt und dabei wenig Blickkontakt mit dem Publikum aufnimmt, konnte die Message dennoch überbracht werden: Ist Zeit noch wertvoll, wenn wir unendlich viel davon haben? Eine von vielen Fragen, die der Roman beim Lesen aufwerfen wird und über die sich auch Maxim Leo spürbar viele Gedanken gemacht hat. Vor allem wird das anhand seiner umfangreichen Recherchearbeit, in der er mit einigen Professoren sowohl zum Thema der Wissenschaft hinter dem Medikament und den Möglichkeiten als auch zu den moralischen Dilemmas zusammengearbeitet hat, deutlich. Aber auch seine Figuren haben durch das Durchdenken der Materie Tiefgang bekommen, so spricht Leo etwa davon, mit professionellen Schwimmerinnen, sowie Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch – die auch jeweils Versuchspersonen seines Romans darstellen – gesprochen zu haben, um ihre Gedanken möglichst authentisch vermitteln zu können. 

Eins ist sicher: Der von Maxim Leo geschriebene Roman umreißt ein hochspannendes und aktuelles Thema, das vor allem gut recherchiert ist und dessen Fiktion in Zukunft schnell Realität werden könnte. Die Charaktere sind vielschichtig und verschieden, sodass sich die Leser:innen, ob jung oder alt, männlich oder weiblich, in einer der Figuren wiederfinden können – es sei denn, man glaubt dem humorvoll gemeinten, wenn auch zweifelhaften Einwurf des Autors, dass hauptsächlich Frauen über 45 im deutschsprachigen Raum überhaupt noch Bücher lesen. Das Gespräch zwischen dem Autor und der Moderatorin funktionierte an den meisten Stellen gut und war mit viel Humor gewürzt, was vor allem an der starken Persönlichkeit von Andrea Schwyzer lag, die Schriftsteller Maxim Leo nicht jeden Spruch durchgehen ließ. Einzig mangelte es der Thematisierung der gewählten Textstellen an Ausführlichkeit, letztlich gab sie trotzdem einen ausreichenden Einblick in die Thematik und Stimmung des Buches und regte das Publikum dazu an, im Altern nicht nur und nicht immer den Feind zu sehen. 

Mit einem Blick auf das, was in Zukunft möglich wäre, bliebe abschließend die Frage: Würden Sie zu einem solchen Verjüngungs-Medikament greifen?

Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin des Kulturbüro Göttingen. Redaktionell verantwortlich sind das Kulturbüro Göttingen sowie dessen Autor:innen.
Verfasser:in

Jasmin D'Amico

Journalistin und Autorin beim Kulturbüro Göttingen

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Im Artikel genannt

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