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Die Wilhelm-Busch-Mühle in Ebergötzen zeigt sich vielfältig

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„Kein Ort ist mir so vertraut wie Ebergötzen. … Der Müller in der alten Mühle ist seit meinem zehnten Jahr mein Freund, der liebste und beste, den ich habe.“ Diese emotionalen Worte schrieb Wilhelm Busch (1832 – 1908) Ende des 19. Jahrhunderts über Erich Bachmann aus Ebergötzen. Die Kindheitserinnerungen des Künstlers Busch und seine Freundschaft mit dem Müllerssohn gaben den Stoff zur heute weltberühmten „Bubengeschichte in sieben Streichen“. 1865 wurde „Max und Moritz“ erstmals veröffentlicht. Die schnell skizzierten Zeichnungen und einfachen Paarreime gelten als Prototyp des Comics schlechthin. Die Bachmannsche Mühle steht heute noch und ist als Wilhelm-Busch-Mühle in Ebergötzen zu besichtigen.

„Übers Wasser führt ein Steg, und darüber geht ein Weg“ - so lautet es im dritten Streich der beiden Lausbuben. Wer heute vom ausgeschilderten Parkplatz in Ebergötzen weitergeht zur historischen Mühle, muss tatsächlich einen Steg überqueren. Ob der hält? Denn es heißt ja weiter bei der Episode mit Schneider Böck: „Und schon ist er auf der Brücke. Kracks, die Brücke bricht in Stücke!“ Max und Moritz hatten den Steg angesägt. Allerdings lag der echte Böck-Steg nicht exakt an dieser Stelle und die Brücke zur Wilhelm-Busch-Mühle wirkt stabil. Trockenen Fußes also gelangen Besucher*innen über den Aue-Bach und am großen Mühlrad vorbei zum Haupteingang des heutigen Museums.

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Zwei Frauen halten die zwei Figuren von Max & Moritz
Lizensiert gemäß Alle Rechte vorbehalten von Claudia Nachtwey

Marianne Tillmann und Julia Dankenbrink-Bode mit Max und Moritz

Marianne Tillmann war bis Ende April 2024 Geschäftsführerin des Förderkreises Wilhelm-Busch-Stätten, der sich seit 1972 für den Erhalt der historischen Wassermühle engagiert. Zur Ruhe setzt sich die langjährige „Seele der Mühle“ jedoch nicht. Sie gibt weiterhin Führungen und demonstriert dabei auch die alte Mühlentechnik. Doch den Posten der Geschäftsführung wollte sie nun gern in jüngere Hände abgeben und hat mit Julia Dankenbrink-Bode eine motivierte Nachfolgerin gefunden. Zudem konnte als Mini-Jobber Justus Eikel gewonnen werden, der ebenfalls Führungen übernimmt und sich zukünftig dem Social-Media-Bereich widmen wird.

„Für ein kleines Dorf wie Ebergötzen ist es ein großer Glücksfall, gleich zwei Museen zu haben, die sich toll ergänzen“, sagt Julia Dankenbrink-Bode. Fußläufig gut erreichbar ist das Europäische Brotmuseum, und mit einem Kombi-Ticket sind beide Stätten zu besichtigen. Die Herstellung und Verarbeitung vom Grundnahrungsmittel Mehl verbindet die Mühle und das Brotmuseum auch thematisch. Doch nicht nur das malerische Fachwerkhaus mit historischer Mühlentechnik und idyllischem Bauerngarten zieht Gäste aus nah und fern an, sondern auch der Bezug zu dem weltweit bekannten Zeichner, Dichter und Künstler Wilhelm Busch macht neugierig.

1841 wurde der damals erst neunjährige Wilhelm zu seinem Onkel, dem Dorfpfarrer Georg Kleine, nach Ebergötzen gebracht. Hier sollte der Junge eine umfassende Schulbildung erhalten. Wilhelms Vater Johann Busch war Krämer im Schaumburger Land, und mit seiner Frau Henriette hatte er noch weitere sechs Kinder zu versorgen. Einen Besuch auf dem Gymnasium konnte sich die Familie für den ältesten Spross nicht leisten. Doch der Bruder der Mutter galt als ausgezeichneter Hauslehrer und sensibler Pädagoge.

Gleich am Tag seiner Ankunft in Ebergötzen lernte Wilhelm den Sohn des Müllers kennen, den etwa gleichaltrigen Erich Bachmann. Eine Freundschaft begann. Die beiden Kinder verbrachten ihre gemeinsame Zeit in der Bachmannschen Mühle und in der ländlichen Umgebung rund um Ebergötzen.

1846 zog die Familie des Dorfpfarrers mit dem Neffen Wilhelm nach Lüthorst, und die Freunde wurden getrennt. Während Wilhelm sich später zunächst im Maschinenbaustudium versuchte, und dann auch im Kunststudium scheiterte, war der Weg für Erich vorgezeichnet als Erbe der Mühle in Ebergötzen. Für Wilhelm kam erst mit „Max und Moritz“ der künstlerische Durchbruch, womit er seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte.

Die Freundschaft zu Erich Bachmann hielt ein Leben lang, jährlich stattete Wilhelm ihm einen Besuch in Ebergötzen ab und war immer willkommen in der Mühle. Erich starb im August 1907, Wilhelm ein halbes Jahr später am 9. Januar 1908.

Noch zu Buschs Lebzeiten wurde „Max und Moritz“ in zehn Sprachen übersetzt. In seinem Todesjahr 1908 ging die 56. Auflage in Druck. Im Gegensatz zu bis dahin erschienen Kinderbüchern, die vor allem einen Erziehungszweck erfüllen sollten hin zum frommen und folgsamen Menschen, stellen Max und Moritz jegliche Vorbildfunktion der Erwachsenen in Frage und verstoßen gegen die geltenden Regeln. Das schien schon vor über 150 Jahren einen besonderen Reiz auf die Leserschaft auszuüben.

Auch Wilhelm Busch und Erich Bachmann, deren Kindheitserlebnisse als Grundidee der „Bubengeschichte“ dienten, haben ohne enge elterliche Kontrolle sicherlich allerlei Streiche ausgeheckt. Jedoch fließt im Kinderbuch „Max und Moritz“ noch eine gute Portion Fiktion mit ein, sodass schließlich doch die moralische Seite siegt und die Lausbuben als geschrotetes Entenfutter ihre Strafe und ihr Ende finden.

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Die Wilhelm-Busch-Wassermühle vor einem Fachwerkhaus
Lizensiert gemäß Alle Rechte vorbehalten von Claudia Nachtwey

Das Wasserrad der Wilhelm-Busch-Mühle wurde 2018 erneuert

Eine Mühle stand an diesem Ort in Ebergötzen nachweislich schon ab 1361. Die ältesten heute noch erhaltenen Teile stammen aus der Zeit um 1560. Die Müllerfamilie Bachmann war hier seit 1789 ansässig, zunächst als Pächter der Herrenmühle, ab 1849 als Eigentümer. 1938 wurde die Mühle stillgelegt, und nachdem Erich Bachmann III. 1960 gestorben war, lösten seine Söhne den Besitz auf. In den kommenden Jahren erwarb die Gemeinde Ebergötzen die verfallene Mühle. 1972 gründeten zehn „Busch-Freunde“ den Förderkreis Wilhelm-Busch-Stätten, welcher sich für den Erhalt der Mühle einsetzte. Umfangreiche Restaurationsarbeiten begannen, 1981 wurde ein neues Wasserrad installiert, um das Mühlengetriebe auf authentische Weise in Bewegung zu setzen. Seit 1981 steht das Gebäude unter Denkmalschutz. 1984 wurde der Mühlengarten neu angelegt, der sich längst als gärtnerisches Kleinod einen Namen in der Region gemacht hat. 1998 konnte auch die Fläche der ehemaligen Mühlenscheune, die 1936 einem Brand zum Opfer fiel, zurückgekauft werden. Die heutige „Mühlenscheune“ (zuvor befand sich hier einige Jahrzehnte das Feuerwehrgerätehaus) bietet mit ihren großen, hellen Fensterfronten Raum für Workshops, Seminare, Veranstaltungen und Ausstellungen. Zudem beherbergt das Gebäude die Gemeindebücherei (Öffnungszeiten: Di. 17 – 19 Uhr, Fr. 17 – 18 Uhr). 2018 wurde auch das hölzerne Mühlenrad erneuert.

Heute gilt die Wilhelm-Busch-Mühle als beliebtes Ausflugsziel nicht nur für Busch-Fans. Julia Dankenbrink-Bode hat noch einige Ideen, möchte vielleicht auch irgendwann ein kleines Café integrieren sowie Kulturveranstaltungen oder Weinfeste im idyllischen Mühlengarten anbieten. Verschiedene Aktivitäten für Kinder und Familien gibt es bereits, auch in Kooperation mit dem Europäischen Brotmuseum. Um die Instandhaltung und Sanierung des alten Fachwerkhauses zu gewährleisten – demnächst sollen die veralterten Elektroleitungen erneuert werden – ist der Förderverein zudem auf Spenden angewiesen.

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Hofbereich und weißes Fachwerkhaus bei der Wilhelm-Busch-Mühle in Ebergötzen
Lizensiert gemäß Alle Rechte vorbehalten von Claudia Nachtwey

Die Wilhelm-Busch-Mühle ist ein beliebtes Ausflugsziel

Verfasser:in

Claudia Nachtwey

Gründerin von Clanys Eichsfeld Blog und Autorin des kulturis-Magazins

Im Artikel genannt

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