Frühe Cellowerke in frühen Morgenstunden

Alexander Scherf mit dem »Sunrise-Konzert« am Kiessee

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Die Händelfestspiele boten in früher Stunde am Pfingstmontag ein ganz besonderes Ereignis: In den Sonnenaufgang hinein spielte der Cellist Alexander Scherf im den Kiessee überblickenden Restaurant Kredo. Hoffentlich lockte nicht nur das anschließende Frühstücksbuffet rund 50 Menschen aus ihren Betten, sondern auch das eher selten aufgeführte Programm. Neben der sehr bekannten Suite Nr. 2 für Violoncello von Johann Sebastian Bach erklang nämlich auch eines der frühesten Solo-Werke für Cello von dem Komponisten Domenico Gabrielli.

Anfangs waren nur die Wildgänse auf dem Kiessee wirklich munter, die in die Stille des verschlafenen Publikums trompeteten, doch dieses ließ sich rasch aus seinen Träumen mit zwei Ricercaren aus „Rêve – Réveil“ von Gabrielli wecken. Es folgte die „Suite insomniaque“, ein Improvisando, das Scherf schalkhaft inklusive piependem Wecker begann, um auch wirklich den Letzten aus seinem Schlaf zu reißen. Die „Cappricio matinal“ von Giuseppe Maria Dall´Abaco wiederum waren wild und ausgelassen, passend zu der Biographie des Komponisten/Cello-Virtuosen, der wegen angeblichen Giftanschlages und Diebstahls von Staatsgeldern in die Annalen der Musikgeschichte ging. Das Konzert endete mit dem Publikum geläufigeren Bach und nach begeisterten Applaus verabschiedete sich Scherf mit einem alten schottischen Volks-Lied als Zugabe.

Das feinsinnige Spiel von Alexander Scherf überzeugte die Zuhörenden von dem doch etwas anderen, vor allem leiseren Klang des barocken Cellos, das ohne Stachel, aber dafür mit Darmsaiten auskommt. Das kleine Restaurant und das überschaubare Publikum gaben die seltene Möglichkeit, einem Virtuosen direkt auf die Finger zu schauen und jeder musikalischen Idee akustisch bis ins Detail zu folgen, was sich gerade bei Scherf lohnte. Er meisterte virtuos anspruchsvolle Stellen mit einer bewundernswerten Leichtigkeit und langsame Sätze mit einer unfassbar ruhigen Bogenführung, die den Klang bis ins Nichts ziehen konnte. Seine charismatische Art führte nebenbei angenehm durch das einstündige Programm und ließ trotz der allgemeinen Verschlafenheit einige Lacher erklingen.

Musikalisch gänzlich erfüllt, begaben sich alle anschließend hungrig zum Frühstück und ließen das Konzert aus- und den Tag einklingen. Nur die Sonne, die doch eigentlich Star der Veranstaltung werden sollte, blieb fern.

Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin des Kulturbüro Göttingen. Redaktionell verantwortlich sind das Kulturbüro Göttingen sowie dessen Autor:innen.
Verfasser:in

Karla Schneider

Journalistin und Autorin beim Kulturbüro Göttingen

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