Fallstudie: Wolkensturz

Eine Performance mit Luftakrobatik über das Loslassen

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Marie A. bereitet sich auf den größten Fall ihres Lebens vor – die Simulation eines dramatischen Wolkensturzes mittels Vertikaltuchakrobatik: 1959 stürzte der Kampfpilot William Rankin als bisher einziger Mensch im freien Fall aus 14 Kilometern Höhe durch eine Gewitterwolke, überlebte und schrieb ein Buch darüber. Im Jahr 2023 steigt Marie A. mit Höhenangst und Klavierhänden ans Tuch und denkt: Wenn ich das gelernt habe, werde ich ein anderer Mensch sein. Marie A. möchte sich ihrer Angst vor dem Loszulassen stellen. Dazu lädt sie die Expertin Wolke J. auf die Bühne ein. Gemeinsam lavieren sie sich durch eine Performance, die sich mit dem Loslassen und Abgeben von Kontrolle beschäftigt. Am Fallbeispiel William Rankins, am Lernprozess über Stürze der Marie A. im Leben und am Vertikaltuch, am Life-Dialog zwischen Regisseurin und Spielerin.

 

Ein Projekt von Katharina Trabert und Juliane von Crailsheim in Trägerschaft des KAZ Göttingen

Gefördert durch: Landschaftsverband Südniedersachsen „Niedersachsen dreht auf“, AKB Stiftung, KunSt e.V., eine private Spenderin, SerNet GmbH

Sponsor: LAMBRECHT METEO GmbH

 

Fragen an die Künstlerinnen

 

Warum eine Performance über das Loslassen?

K: Zum Thema des Loslassens hat uns die Geschichte des Kampfpiloten William Rankins geführt. Eigentlich war etwas ganz anderes geplant: eine Performance über Wolken, weil Wolken mich unglaublich faszinieren und ich diese Faszination mit anderen teilen wollte. Als wir uns an unserem ersten Probentag mit Rankins Wolkensturz befassten, wurde uns aber sofort klar, dass diese Geschichte für sich schon faszinierend war. Um seinen Sturz aus über 14 km Höhe erzählen zu können, habe ich begonnen, die Luftakrobatikkunst Vertikaltuch zu erlernen. Juliane hatte mich gebeten, mein Training zu dokumentieren. Die Herausforderung des wortwörtlichen Loslassens - mich im Tuch nach unten fallen zu lernen - stach in diesen Tagebuchnotizen sehr markant hervor. 

J: Als wir uns in den Proben mit Rankins Fall und unserer eigenen Geschichte auseinandersetzten, entdeckten wir, wie anwesend das Motiv des Fallens und Loslassens in unserem und wahrscheinlich jedermanns Leben ist. Immer wieder stehen wir vor der Herausforderung, etwas loszulassen - sei es eine Lebensphase, eine Liebe, eine unbegründete Angst oder eine traumatische Erfahrung, die uns verfolgt.

 

Was fasziniert euch an der Geschichte William Rankins? 

K: William Rankin lieferte mit seinem Buch "Der Mann auf dem Donner" (das nur noch mit viel Mühe antiquarisch zu erstehen ist) einen faszinierenden, minutiösen Erlebnisbericht über einen Sturz im freien Fall, den Sturz durch ein Gewitter. 

J: Er hat diesen Sturz nur überlebt, weil er bei Bewusstsein blieb. Dafür konzentrierte er sich auf seine Gedanken, denn wer denkt ist nicht bewusstlos. 

K: Detailreich schildert er, was mit dem Körper und dem Verstand passiert, wie er kontinuierlich zwischen dem verzweifelten Ausgeliefertsein und einem auf Extremsituationen trainierten Verstand und der Fähigkeit, im absoluten Chaos die Kontrolle zu behalten, hin- und hergerissen wird. Auch bei ihm geht es um die Balance zwischen Festhalten und Loslassen.

J: All dies notiert er und das ist das Material unserer Performance. 

 

Katharina, du hast extra für diese Performance angefangen, Vertikaltuchakrobatik zu erlernen. Was war die größte Herausforderung?

Die unglaublichen Schmerzen, die mich über die ersten sechs Monate ununterbrochen gequält haben, waren eine Herausforderung. Die Koordination der Bewegung zu lernen, war eine Herausforderung. Da ich Höhenangst habe, war es auch eine Herausforderung, überhaupt am Tuch hochzuklettern. Aber all das war nichts im Vergleich zur Herausforderung, mich zu trauen, das Tuch loszulassen und mich nach unten fallen zu lassen. Sechs Wochen kämpfte ich mit mir, bis ich es endlich schaffte. Noch nie im Leben hat mich etwas, das ich gelernt habe, so stolz gemacht, weil die Überwindung so groß war.

 

Was führt euch beide als Künstlerinnen zusammen?

J: Katharina und ich haben uns im Oktober 1999 zu Beginn unseres Studiums in Hildesheim kennengelernt. Wir sind beide von dort schnell in die Welt ausgeflogen und haben uns über die Jahre immer wieder an verschiedenen Orten getroffen - mal nur persönlich, mal für künstlerische Projekte. Als Katharina mich fragte, ob ich bei diesem Projekt dabei sein wollte, sagte ich sofort ja.

K: Wir teilen eine nomadische Ader und sind beide sehr freiheitsliebend - das wird auch in dieser Performance deutlich, in der gewissermaßen das Thema die Form vorgibt: Da es ums Loslassen geht, stellen wir den Anspruch an uns, das Loslassen durch das Format zu experimentieren. Jede Performance ist anders, weil außer dem Material, das wir verwenden, nichts vorgegeben ist - wir improvisieren damit. Während unseres einstündigen Auftritts wissen auch wir nicht, was genau passieren wird - und müssen die Vorstellung, Kontrolle über unseren Auftritt zu haben, aufgeben.

 

Was hat es mit dem Veranstaltungsort auf sich?

K: Unsere Probenplanung war aufgrund der Anforderungen, die die Vertikaltuchakrobatik an einen Raum mit sich bringt, extrem schwierig. Irgendwann entdeckten wir Turnhallen für uns und sind damit sehr glücklich. Ganz praktisch betrachtet haben sie alles, was wir brauchen: Höhe, eine Aufhängmöglichkeit und eine Fallschutzmatte. 

J: Außerdem passt die Ästhetik des Raumes sehr gut. Die “Fallstudie” ist als nüchterner Versuchsaufbau angelegt, die Performance ist mehr Labor als Showroom. Turnhallen sind aber auch ein Ort, von dem wir uns erhoffen, dass er einen niederschwelligen Zugang ermöglicht, vielleicht auch für Menschen, die weniger kunstaffin sind.

 

Samstag 11. November um 20 Uhr

Sonntag 12. November um 17 Uhr

in der Jahnhalle, Bürgerstraße 38 in Göttingen

 

Offene Proben am 9. und 10. November jeweils um 11 Uhr in der Turnhalle des Tuspo Weende am Weendespring 8

Tickets an der Abendkasse: 5 | 10 | 15 Euro

Dieser Artikel wurde von Kulturschaffenden aus der Region verfasst und in der Rubrik „Meldungen aus der Kultur“ veröffentlicht. Redaktionell verantwortlich sind die Autor:innen.
Verfasser:in

Katharina Trabert (Kastendieck)

The art side of life

Fokus

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Im Artikel genannt

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Hauptmotiv Fallstudie: Wolkensturz
Aufführung

FALLSTUDIE: WOLKENSTURZ

Eine Performance mit Vertikaltuchakrobatik über das Loslassen

Marie A. bereitet sich auf den größten Fall ihres Lebens vor - die Simulation eines dramatischen Wolkensturzes mittels Vertikaltuchakrobatik: 1959 stürzte der US-Airforce-Pilot William Rankin als bisher einziger Mensch im freien Fall aus 14 Kilometern Höhe durch eine Gewitterwolke, überlebte und...

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