Ein verwaister Junge, auf der Suche nach Arbeit. Eine sonderbare Mühle, die von mysteriösen Kräften beherrscht wird. Und ein Meister, der die Macht der dunklen Künste lehrt. Was wie eine neue Möglichkeit erscheint, wird schnell zu einer Falle, in der Macht und Magie die einzigen Währungen sind. Doch in einer Welt, in der nichts so ist, wie es scheint, muss der Junge lernen, was es bedeutet, wirklich frei zu werden.
Die Geschichte des Jungen Krabat, geschrieben von Otfried Preußler und fürs Theater von Nina Achminow bearbeitet, entfaltet sich auf der Bühne zu einer fesselnden Erzählung über Macht, Verführung und die eigene Selbstbestimmung. Das Theater am OP (ThOP) hat sich unter der Regie von Erik Bosse (und der Regieassistenz von Roxanne Grigoleit, Matilda Kleinke, Lou Wolfert und Reneé Blümel) zur Aufgabe gemacht, diese geheimnisvolle Stimmung in ihrer Inszenierung von »Krabat« zu präsentieren und feierte am 2. Dezember Premiere.
Ein verhängnisvoller Traum
Der Bettlerjunge Krabat ist Vollwaise, als ihn ein sonderbarer Traum zu einer Mühle im Koselbruch führt. Dort kann er in die Lehre gehen, lernt jedoch nicht nur das Müllern, sondern auch „alles andere“. Mit elf weiteren Lehrlingen bestreitet er nun sein Tagewerk unter dem hierarchischen System des Meisters. Doch schon bald erkennt er, dass hinter der scheinbaren Normalität der Mühle mehr verborgen ist, als er sich je hätte vorstellen können und auch die anderen verbergen etwas vor ihm. Als jedoch sein engster Vertrauter auf mysteriöse Weise zu Tode kommt und durch einen neuen Lehrling ersetzt wird, beschließt er den dunklen Geheimnissen der Mühle auf den Grund zu gehen.
Das Bühnenbild als atmosphärische Einladung
Die Bühne wird zur dunklen bedrohlichen Welt der Mühle und holt die Zuschauer:innen in ein Szenario, aus dem es kein Entkommen gibt. Das Bühnenbild des ThOP ist an dieser Stelle besonders hervorzuheben. Die okkulte Kammer des Meisters – mit ihren düsteren Symbolen und mystischen Objekten - hat oben auf der Empore ihren Platz gefunden. Von dort strahlt sie eine unheilvolle Präsenz aus, die das Geschehen unten jederzeit im Blick behält. Nicht zuletzt gelingt dieses Gefühl des unentrinnbaren Unheils auch durch die schauspielerische Leistung des Meisters, gespielt von Mo Pfeil, der eine besonders bedrohliche Ausstrahlung verkörpert. Doch auch die Mühle selbst, dargestellt durch ein beeindruckendes Mahlwerk, ist besonders sehenswert.
Das Schicksal der Lehrlinge
Mit Leben wird das Bühnenbild jedoch erst richtig gefüllt, wenn die zwölf Lehrlinge an die Arbeit gehen und das Mahlwerk zum Rotieren bringen. Direkt fühlt man sich in einen solchen Arbeitstag hineinversetzt, wobei die authentischen Kostüme maßgeblich zu dieser Wirkung beitragen. Trotz des oft großen Trubels auf der Bühne gelingt es den Schauspieler:innen ihre individuellen Charaktere und Eigenarten herauszukristallisieren. Besonders überzeugen konnte dabei die Darstellung von Broder Bosse, der die Rolle des emphatischen, aber auch selbstbewussten Michals übernahm und sich nicht scheute auf Missstände der Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen und seinen Kameraden zu helfen. Gleichzeitig sticht auch Monika Giro als der tollpatschige und scheinbar ahnungslosen Juro hervor, den sie durch viel Humor, aber auch Charme lebendig werden lässt.
Bedrohung und Faszination
Die starken Momente liegen vor allem in der Dynamik der Gruppenszenen, die mal durch friedliches gemeinsames Essen, mal durch Erzählen von Geschichten und mal von Konflikten geprägt sind. Dabei verliert sich die konstante Spannung jedoch nicht, sodass der Fokus dennoch auf Krabat und dem Aufdecken der mysteriösen Ereignisse der Mühle am Koselbruch liegt.
Die ständige Bedrohung durch die finstere Magie und den dunklen Meister bleibt unaufhörlich bestehen und fordert auch ihren Tribut. Krabat, der immer mehr in dem monotonen Kreislauf des Mühlalltags gefangen ist und gleichzeitig seine eigenen magischen Fähigkeiten weiterentwickelt, steht schließlich vor einer entscheidenden Wahl: Wird er dem verlockenden Pfad der Macht weiter folgen, oder kann er sich von dem unerbittlichen Rhythmus der Mühle befreien?
Krabats innere Zerrissenheit
Preußler wollte mit seiner Erzählung nicht nur eine düstere und märchenhafte Geschichte erzählen, sondern auch tiefgründige moralische Fragen ansprechen, mit denen er seine eigenen Erfahrungen, insbesondere die des Zweiten Weltkrieges, verarbeitete. Dadurch entsteht ein anspruchsvolles Szenario, dem sich das Theater am OP mit ihrer Inszenierung von Krabat stellt. Mit einem großen Gespür für Atmosphäre wird die typische Gut-gegen-Böse-Symbolik hier durch magische und okkulte Elemente sowie den Zaubermeister verstärkt – besonders gelungen durch das Bühnenbild und die gezielt eingesetzten Lichteffekte. Auch die Vielzahl der Schauspieler:innen, die ihre Rollen mit viel Intensität spielen, sowie ihr aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel tragen entscheidend dazu bei, die Welt von Krabat lebendig zu machen. Sodass sich das Publikum letztlich selbst die Frage stellen kann, ob sie diesen Mächten widerstehen und der Mühle vom Koselbruch entkommen könnten.
Weitere Termine sind auf der Homepage des ThOP zu finden, jedoch mit der Anmerkung, dass alle Vorstellungen bereits ausreserviert sind und Karten nur noch über die Wartelisten der jeweiligen Termine zu erhalten sind.
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