Die Kino-Landschaft in der Region kann sich sehen lassen. Das große „CinemaxX“ in Göttingen ist weithin bekannt. Für Liebhaber besonderer Filme sind in Göttingen das „Lumiere“ und das „MÉLIÉS“ hervorragende Adressen. In Herzberg gibt es die „Kinowelt -Centrallichtspiele“. In Holzminden reiht sich das „ROXY“ in die Kinolandschaft ein. Das Kino in Goslar heißt „Cineplex“. In Northeim hat die vielfach für ein anspruchsvolles Programm ausgezeichnete „Neue Schauburg“einen guten Ruf. In Bad Gandersheim steht das „GANDEON“ für interessante Film-Events und in Einbeck können im „Welttheater“ die neuesten Filme auf der großen Leinwand erlebt werden. Und dann ist da noch das „NEU-Deli“ in Einbeck – auch ein Kino, aber tatsächlich ein „Soziokulturelles Zentrum“. Damit hebt es sich deutlich von den anderen Kinos ab. Das NEU-Deli will kein weiteres kommerzielles Kino sein, sondern soziokulturelle Veranstaltungen für jung und alt mit Bildungsanspruch anbieten.
Diese besondere Ausrichtung, das breite Programm-Angebot für sehr verschiedene Zielgruppen und die Verortung in der vielfältigen Kulturszene in Einbeck sollen hier vorgestellt werden.
Träger des NEU-Deli ist der Verein „Einbecker Lichtspielfreunde e.V.“, der sich im Dezember 2020 mit damals 13 Mitgliedern gegründet hat und ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig tätig ist. Heute hat der Verein 55 Mitglieder. Davon arbeiten rund 25 aktiv mit. Etwa 30 Personen sind fördernde Mitglieder. Der Jahresbeitrag beträgt mindestens 50 €. Der Vereinsvorstand besteht aus 3 Mitgliedern und derzeit 3 weiteren Personen, die als Beisitzer*innen mit in der Geschäftsordnung festgelegten Arbeitsbereichen an der Vorstandsarbeit mitwirken. Alle im Verein arbeiten ehrenamtlich. Vorsitzende ist Hella Hüser. Zum Vorstand gehören außerdem Christian Bleckert und Siegrid Oestreich sowie die Beiratsmitglieder Eckhart Hüser, Bernd Astein und Friederike Zimmermann.
Der Ort des Vereinslebens, das NEU-Deli, befindet sich zentral in der Münsterstraße in der Einbecker Innenstadt. Das Gebäude wirkt von außen eher unscheinbar in einer langen Häuserzeile. Es stammt aus dem Baujahr 1880 und war zunächst Teil einer Schlachterei. Der Verkaufsraum mit angeschlossener Halle wurde später zur Gaststätte Schusterkrug mit angrenzendem Saal.
1959 wurde er Saal mit 312 qm umgebaut zu einem Kino mit 300 Sitzplätzen. 1972 wurden Wandbespannung und Sitze erneuert, 1995 das Gebäude außen renoviert und die Anzahl der Plätze auf rund 180 reduziert.
Die wesentliche Veränderung zum NEU-Deli erfolgte 2021. Der neue Verein „Einbecker Lichtspielfreunde“ mietete das Kino. Es wurde eine 21 qm große Bühne vor die Leinwand gebaut und die Anzahl der Plätze auf 155 reduziert. Durch die Unterstützung von Förderern und Sponsoren konnte die Elektrik saniert werden, ein neuer Projektor wurde angeschafft, der alte Sanitärbereich barrierefrei umgebaut und der Eingangs- und Thekenbereich ebenfalls barrierefrei neu gestaltet. Nächster Schritt sind aktuell die Erneuerung der Licht- und Tontechnik sowie der Notstromversorgung. Mit großem ehrenamtlichem Engagement haben es die Einbecker Lichtspielfreunde in den vergangenen Jahren geschafft, ein charmantes Kino mit ganz besonderem Flair zu schaffen. Ein sehr besonderer Kultur-Ort im 70iger Jahre Designstil ist da entstanden, dem man von außen nicht ansieht, was sich drinnen an Zauber entfaltet.
Die Aktiven im Verein wünschten sich von Beginn an im Rahmen ihres bürgerschaftlichen Engagements eine bereichernde, konstruktive und unterstützende Zusammenarbeit mit den anderen Vereinen in und um Einbeck. Das war schon bei der Gründung erklärtes Ziel und findet sich in der sehr detaillierten Beschreibung zur Zweckbestimmung in der Satzung. Dort ist die Förderung von Kunst und Kultur festgelegt. Abgestellt wird dabei insbesondere auf die Filmkultur in Einbeck und in der Region, aber als wesentlicher Bestandteil auch auf die Förderung von Toleranz und des Völkerverständigungsgedankens. Der Verein positioniert sich dementsprechend für kulturelle Offenheit und gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit., auch durch Zusammenarbeit mit Vereinen und Initiativen sowie in Projekten, die sich gleichermaßen engagieren.
Verwirklicht werden soll der Satzungszweck insbesondere durch den Erhalt der historischen Lichtspielbühne des ehemaligen Deli-Kinos und die Weiterführung als offene, kommunale Bühne.
Der Name „Deli“ ist historisch und kommt von „Deutsche Lichtspiele“. Da Zielsetzung und Angebote des Vereins deutlich über ein Kino hinausgehen, mag der Name nicht (mehr) so ganz glücklich sein. Andererseits steht er für den Ort mit Tradition, in dem alles stattfindet und das Thema Film hat natürlich eine zentrale Bedeutung. Es geht aber nicht nur um die Beschaffung und Aufführung ausgewählter Filme, die über das Angebot kommerzieller Kinos hinausgehen. Dabei sollen auch Dokumentar-, Experimental- und Spielfilme in thematischen Zusammenhängen präsentiert werden. Angestrebt ist auch die Förderung von Filmprojekten des Filmnachwuchses und des Amateurfilmwesens, besonders im Rahmen der Jugendarbeit. Gedacht ist zudem an Vorträge und Diskussionen zu Filmen, zur Filmgeschichte und zu Literaturverfilmungen.
Das allein ist schon viel. Der Verein will sich aber nicht auf diese für sich schon umfänglichen Aktivitäten im großen Bereich „Filmkunst“ begrenzen, sondern die Möglichkeiten des Kinoraumes und seines besonderen Ambientes auch für Lesungen, Theateraufführungen und Konzerten nutzen.
Schließlich kann der Kinoraum auch von Vereinen, Initiativen und Firmen für passende Veranstaltungen und Angebote angemietet werden. Diese Möglichkeit ist schon von den Harz-Weser-Werkstätten und den Soroptimistinnen für besondere Events genutzt werden.
In den vergangenen Jahren ist es dem Verein kontinuierlich gelungen, den Menschen in Einbeck und in der Umgebung zusammen mit anderen Vereinen, den Schulen, der Kirche, Einzelpersonen und der Stadt ein abwechslungsreiches, inspirierendes, Demokratie stärkendes und wiederkehrendes Kulturangebot zu bieten. Dabei ist dem Verein auch die Barrierefreiheit ein Anliegen. Im umgebauten Saal gibt es vier Plätze für Rollstühle, die auch zum Abstellen von Kinderwagen genutzt werden können.
Ein Beispiel für eine gelungene Zusammenarbeit ist das einmal monatlich angebotene Format „KinoCafé“. Für einen ermäßigten Eintritt gibt es an einem Nachmittag um 15 Uhr einen besonderen Film und für einen kleinen Kostenbeitrag Kaffee und von Mitgliedern und Förderen selbstgebackenen fischen Kuchen. Ein Angebot, das zunehmend nicht zuletzt von Senior*innen genutzt wird, die abends nicht mehr ins Kino gehen möchten und so einen anregenden und gemütlichen Nachmittag im Neu-Deli erleben. Durch eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Angestellten Akademie (DAA) in Einbeck gibt es seit dem Ausbruch des Krieges an diesen Nachmittagen eine Unterstützung durch geflüchtete ukrainische Frauen. Sie begleiten die älteren Menschen mit Kaffee und Kuchen an ihre Plätze, haben dadurch die Möglichkeit sozialer Kontakte, können ihre Deutschkenntnisse trainieren und werden so in das kulturelle Leben in Einbeck eingebunden. Durch einen freien Eintritt wird ihnen zudem die Möglichkeit gegeben, das Kulturangebot zu nutzen.
Jedes Jahr zur Friedensdekade gibt es eine Gemeinschaftsveranstaltung mit der Kirche, mit „Einbeck ist bunt“, „Demokratie leben“, der alten Synagoge und der BBS Einbeck zum Thema Frieden und Gerechtigkeit. Das Mehrgenerationen-Theater „Bühnenstürmer e.V.“, das seit 2012 regelmäßig mit Kinder- und Erwachsenenprogrammen das „Einbecker Zelttheater“ bespielt, kann die Neu-Deli-Bühne für ein zusätzliches Winterprogramm nutzen. Der neue Einbecker Verein „Aktivitäter e.V.“ wird jährlich im NEU-Deli eine Spuk-Stunde für Kinder und eine Märchenlesung ausrichten und im Dezember ein „Dinner for one“. Diese Veranstaltungen garantieren ein volles Haus.
Ein wichtiges Angebot des NEU-Deli sind die Konzerte in der Reihe „On Stage“. Auf der 7 m breiten und 3 m tiefen Bühne vor der großen Kinoleinwand gibt es regelmäßig Konzerte aus Folk, Blues und Rock, mit Liedermachern und Chören. Auch Poetry-Slam und Musik-Comedy finden statt. Lesungen für jung und alt und eine offene Bühne sind Programm-Bestandteile. Gut angenommen werden auch die „Gaming“ Aktionen mit gemeinschaftlichen Spiel-Angeboten für Kinder und Videospiel-Turnieren.
Wer kontaktfreudig ist und aktiv mitmachen möchte bei der Förderung von Kunst & Kultur ist beim NEU-Deli herzlich willkommen. Sei es bei der Mitarbeit im Service-Team, am Tresen im Kino-Foyer oder bei der Getränkebestellung, bei der Organisation, Planung und Durchführung von Veranstaltungen, beim Backen von Kuchen und Keksen, als Pop-Corn-Meister*in, beim Zaubern von Fingerfood, bei der Bedienung der Technik für Projektion, Ton und Licht, dem Ausprobieren neuer Spiele und schließlich bei der Erneuerung und dem Erhalt der baulichen Infrastruktur.
Fokus
Im Artikel genannt
Im Artikel genannt
NEU-Deli
Kultur- und Arthousekino
Aktivitäter e.V.
Kunst- und Kulturverein
Alte Synagoge Einbeck
Ein Ort der Begegnung und des offenen Dialogs
Kommentare
Sehr schön und ausführlich geschrieben geschrieben!