Der Landschaftsverband Südniedersachsen besuchte das Atelier Repfennig im Rahmen einer Exkursion zum Schloss Bevern. Kurzerhand beschloss das kulturis-Team, dass es toll wäre, hierüber einen Artikel zu veröffentlichen. Als Autorin konnten wir Niki Matita gewinnen, welche als erste Künstlerin am Artist-in-Residency-Programm teilnahm und sowohl einen frischen Blick „von Außen“ als auch Inneneinsichten durch ihren Aufenthalt im Schloss Bevern in ihren Text einfließen lässt.
In Bevern (Kreis Holzminden), ähnlich wie in vielen Städten und Gemeinden der ehemaligen BRD, markierten die 1980er Jahre einen Wandel in der Kulturpolitik und Baukultur. Waren die Nachkriegsjahre bis in die 1970er noch von brutalistischen Neubauten als Ersatz für die Trümmer des Zweiten Weltkriegs oder vom Abriss noch erhaltener, jedoch sanierungsbedürftiger Gebäude oder barackenartigen Behelfsbauten geprägt, so änderte sich das im Goldenen Zeitalter der Yuppies. In der BRD der 1980er Jahre wurden Kunst und Design ebenso wie Lebensart zelebriert. Es entstanden viele Museumsneubauten für Zeitgenössische Kunst, Festivals und Biennalen kamen en vogue, die Denkmalpflege wie die Leidenschaft für Antiquitäten boomten nach der Abriss- und Wegwerfwut der Nachkriegszeit und die Haute Cuisine wurde durch das Fernsehen massenbekannt. Die Hausbesetzer*innen der 1970er hatten mit ihren Forderungen nach autonomen Jugend- und Kulturzentren den Weg geebnet, alte Gebäude neu zu denken und Nutzungskonzepte zu entwickeln, die mit der ursprünglichen Funktion nichts mehr zu tun hatten. So entstanden in dieser Zeit beispielsweise auch Einrichtungen zum internationalen Kulturaustausch wie das Künstler*innenresidenzprogramm Akademie Solitude auf einem barocken Lustschloss bei Stuttgart.
Ähnliche Visionen wie Monsieur Joly in Baden-Württemberg mag der damalige stellvertretende Oberkreisdirektor des Landkreises Holzminden, Thomas Veil, gehabt haben als er sich um die Sanierung des ersten Bauabschnittes kümmerte und neben dem Maler und Bildhauer Karl Repfennig auch einen Sternekoch ins frischgegründeten Kulturzentrum Weserrenaissanceschloss Bevern holte.
Der Landkreis Holzminden hatte die 1603 – 1612 von Statius von Münchhausen erbaute Vierflügelanlage 1986 von der Samtgemeinde übernommen. 1987 bezog Karl Repfennig mit seiner damaligen Lebensgefährtin Felicitas Böhm eine Wohnung in der ehemaligen Amtsstube und ein Atelier im heutigen Museumsbereich. Als er 2021 starb, soll es wenige Menschen gegeben haben, die so lang wie er im Schloss gelebt und gearbeitet haben – manche sagen sogar, Karl Repfennig wäre der langjährigste Bewohner des Schlosses in einer der ältesten Ansiedlungen des Weserberglandes gewesen. Er soll kein Mann großer oder vieler Worte gewesen sein und so bleibt es etwas nebulös, warum dieser ehemalige Maschinist zur See, hippieske Importkaufmann und malende Restaurantier sich nach jahrzehntelangem Aufenthalt und Kunststudium in Kalifornien ausgerechnet hier niederließ. Er wurde 1936 in Hannover geboren und erlebte die Zeit der Evakuierung in Lüntorf als durchaus schöne Kindheit auf dem Lande. So war ihm die Gegend zumindest nicht fremd.
Wie die sagenumwobene Angermühle, hat jedoch auch die Schlosswirtschaft schon lange das Zeitliche gesegnet und das kulinarisch äußerst überschaubare und zeitlich stark reduzierte gastronomische Angebot Beverns – oder Holzmindens – betrübt heute nicht nur die zahlreichen Radtourist*innen, die den Ort oft knurrenden Magens wieder verlassen. Veil ging 1990 als Landrat in das Gebiet der ehemalige DDR und wurde kurz darauf ins Innenministerium Sachsen-Anhalts nach Magdeburg berufen, wo er 2017 auch verstarb.
Doch Karl Repfennig blieb in Bevern, auch wenn es die ersten zwanzig Jahre zu wenig bereicherndem Austausch mit der örtlichen Bevölkerung kam und das Verhältnis eher distanziert blieb. Gleichwohl stellte er fest: „Es gibt hier einen genius loci, von dem ich denke, dass er auch Einfluss auf meine Kunst und unser Leben gehabt hat.“ Er pflegte Kontakte zu Künstlerkolleg*innen im weiteren Umkreis, hielt sich regelmäßig in Hannover auf, war Mitglied des inzwischen schlummernden Kunstkreises Holzminden und soll sich sogar als Kursleiter für malende Laien aus der Umgebung versucht haben – mit mittlerem Erfolg...
Wie der Nachlass von Karl Repfennig verrät, hat er sich in verschiedenen Sujets und Techniken probiert und war durchaus nicht so abgeschieden vom internationalen Kunstgeschehen, wie sich vermuten ließe, denn es finden sich viele Werke, die Techniken, Themen und Methoden von Kolleg*innen aufgreifen, die ihn beschäftigt haben. Ebenso hinterließ er Spuren im Landkreis, ob mit den Skulpturen „Fibeln“ und „Kopfblüte“ auf dem Schlossvorplatz in Bevern, der „Poente“ in den Holzminder Teichanlagen oder mit Gemälden und Graphiken an den Wänden seiner langjährigen Freundinnen und Unterstützer.
In seinem Andenken wollen diese Menschen nun gemeinsam mit seiner Erbnichte Dori Gierth und der rührigen Kuratorin Elisabeth Kilian sein Atelier und die dazugehörige Wohnung in seinem Sinne öffnen und für Künstler*innen und Kulturinteressierte als Galerie, Veranstaltungsraum und Kursort erhalten. Zu diesem Zwecke hat sich die nach Karl Repfennigs Tod entstandene freie Projektgruppe RepArt in diesem Jahr dem Heimat- und Kulturverein der Samtgemeinde Bevern angeschlossen, um einen juristisch eindeutigen Status zu erlangen und beispielsweise Spenden und Fördergelder für das vielfältige Programm und die jährlichen Aktivitäten einwerben zu können. Eine weitere wichtige und zeitaufwendige Aufgabe besteht aktuell darin, den Nachlass zu sichern und zu erfassen, solange dieser noch in der Gänze beieinander ist und relevante Schlüsse durch die räumliche Verortung und ursprüngliche Ordnung des Künstlers gezogen werden können.
Ein Einblick in das Schaffen von Karl Repfennig
Mit einer Artist-in-Residency soll es Künstler*innen ermöglicht werden, die Arbeits- und Wohnräume nutzen zu können, z.B. um sich dialogisch mit dem Werk Karl Repfennigs auseinander zu setzen, die eigene Praxis zu reflektieren oder sich mit dem Flecken Bevern zu beschäftigen und Projekte mit Einwohner*innen zu verwirklichen.
Ein erster Testlauf mit der international residenzerfahrenen Klang- und Installationskünstlerin Niki Matita im Sommer diesen Jahres gab bereits viele Denkanstöße – und wies Bereiche auf, in denen es mit entsprechender Förderung viel Potential zur zeitgemäßen Entwicklung des Kulturzentrums und der Kulturszene des Landekreises gäbe.
Ebenfalls zum Heimat- und Kulturverein (HKV) Bevern gehört, u.a. neben einer Line-Dance-Abteilung, das Heimatmuseum. Es wurde 1978 von Erich Sander gegründet und zog 2008 in seine jetzigen Räume im Schloss. Es gibt es einen Einblick in die wechselvolle Geschichte von Schloss und Flecken Bevern und zeigt den Alltag der Bewohner*innen des ländlich geprägten kleinen Ortes in teilweise eigenwillig ausgewählten und organisch mit dem Museum gewachsenen Ausschnitten.
Die jetzige Leiterin Marita Liebe ist vielseitig interessiert, offen für Kunst und bemüht sich in einem Balanceakt zwischen den unterschiedlichen Protagonist*innen und allfälligen Gewohnheitsrechten um eine behutsame und fundierte Neugestaltung, die sich auch jüngeren Besucher*innen erschließt und die weitklaffende Lücke zwischen Schloss und Fleckenbewohnenden überwindet. Die Depots des Heimatmuseums sind gefüllt mit über die Jahrzehnte angehäuften Anschaffungen und Schenkungen, denen leider allzu oft die Provenienz und der Ortsbezug fehlen und deren Funktion oder Zweck sich in den Zeitläuften verlor.
In der Ausstellung Natur ⟷ Fragment. Karl Repfennig im Dialog mit Niki Matita fanden sich nun einige dieser vergessenen Exponate in neuem Zusammenhang wieder. In ihren Installationen, ebenso wie in ihren Klangkunststücken, arbeitet die Berliner Künstlerin häufig mit Trouvaillen. In diesem Fall können sie als Platzhalter oder Visualisierungen von sozialen Prozessen gelten, denn die ausgebildete Ethnologin beschäftigte sich in Bevern sowohl mit Familienforschung als auch mit neuen Kreativtechniken für Nichtkünstler*innen oder dem Begriff der Sozialen Plastik. Neben Objekten können beispielsweise auch Zitate solche Fundstücke sein, die in Niki Matitas Werke einfließen und so können wir an dieser Stelle auflösen, welche Worte des verstorbenen Ateliervornutzers sie zur gezeigten Bild- und Objektauswahl anregten und ihren Aufenthalt als erste Artist-in-Residence in Bevern prägten: "Ich fühlte mich irgendwie inkomplett. Ich suchte einfach den Dialog, um mich zu überprüfen, zu verbessern und weiter voran zu kommen. "
Ab dem 8. Oktober ist im Atelier Repfennig die Ausstellung „Morpheus‘ Garten“ der Nachwuchskünstler:innen Anna Pernpeintner und Sören Keese zu sehen.
Weitere Werke von Karl Repfennig sind in der Künstlerdatenbank und Nachlassarchiv Niedersachsen zu finden.
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