Im Jahr 2021 beauftragte der Landschaftsverband Südniedersachsen den Fotografen Ralf König damit, Veranstaltungsorte in Südniedersachsen zu fotografieren. Vorangegangen waren ähnliche Projekte der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen und des Landkreises Göttingen, mit dem Ziel, attraktive Veranstaltungsorte zu identifizieren und für Veranstalter:innen systematisch zu erfassen. Diese Daten wurden unter kulturimkreis.info zusammengetragen und werden zukünftig in ergänzter Form auf kulturis veröffentlicht. Bei der Sichtung der Aufnahmen weckte ein Veranstaltungsort das besondere Interesse des kulturis-Teams: Die Aula Academica der TU Clausthal. Deren bewegter Geschichte widmet Ralf Gießler daher den folgenden Artikel.
Unter einer Aula versteht man gemeinhin einen großzügig gehaltenen repräsentativen Versammlungsraum, der vor allem in Schulen und Universitäten zu finden ist. Sie ist quasi die gute Stube der Einrichtung und wird nur für ganz besondere Anlässe, Feierlichkeiten oder Veranstaltungen wie Messen und Konzerte geöffnet.
In der näheren Umgebung befinden sich gleich zwei dieser Schmuckstücke: Zum einen die am Wilhelmsplatz gelegene Aula der Georg-August-Universität Göttingen. Zum anderen die Aula Academica der TU Clausthal. Sie ist in der Aulastraße 8 gelegen und ein echtes Prachtexemplar. Die TU selbst bezeichnet sie als ihr Sinnbild und Wahrzeichen. Von außen traditionell klassizistisch, von innen inspirierend. Weist sie doch im prächtigen Kuppelsaal zeitgenössische Architektur mit einer expressionistischen Formen- beziehungsweise Farbsprache auf, um nur einige Merkmale zu benennen. Die Aula wird zwar vornehmlich für Veranstaltungen der TU Clausthal genutzt. Es finden aber auch jetzt immer wieder Konzerte und Veranstaltungen statt, die öffentlich zugänglich sind. Die Veröffentlichung erfolgt über die regionale Presse und über die TU-Nachrichten der Pressestelle.
Die Aula Academica kann auf eine gut hundertjährige Geschichte zurückblicken. Zu Beginn der 1920er Jahre entstanden in der Bergakademie und der Stadt Clausthal erste Planungen und Skizzen für ein „Akademisches Forum“. Dieses Forum sollte zwischen der heutigen Robert-Koch-Straße und der Erzstraße verortet sein. Anlässlich des 150. Jubiläums der Clausthaler Bergakademie 1925 gaben Verwaltungen und Montan-Wirtschaft entsprechende Zusagen, den Bau einer Aula und eines „Akademischen Forums“ unterstützen zu wollen beziehungsweise zu finanzieren. 1926 erhielt Regierungsbaumeister Leopold Rother als Vorsteher des neuen Preußischen Neubauamtes in Clausthal-Zellerfeld den Auftrag, sich der Leitung des Aulaneubaus inklusive integrierter Turnhalle und der weiteren Bearbeitung der vorliegenden Entwürfe anzunehmen. Nach einer kurzen Bauzeit von lediglich 16 Monaten sowie der Einhaltung des Kostenrahmens konnte die große Aula am 08. November 1927 eingeweiht werden. Die Architektur auf 49 x 28 Metern Grundfläche mit 14 Meter hohem Kuppelsaal sowie Turnhalle begeisterte die Anwesenden. Ein Jahr später folgte 1928 die Eröffnung einer im Jugendstil gehaltenen Schwimmhalle, die durch einen unterirdischen Gang über 25 Meter mit der Aula verbunden war.
Es wurden 1929 noch andere benachbarte Gebäude errichtet. Die Weltwirtschaftskrise vereitelte weitere Bauvorhaben. 1930 wurde das Neubauamt geschlossen, Leopold Rother versetzt und Ende 1935 aufgrund seiner jüdischen Herkunft entlassen. Als Konsequenz daraus wanderte Rother wenig später nach Kolumbien aus, wo er zu Weltruhm gelangte. Wegen geäußerter Kritik von Reichsminister Bernhard Rust kam es 1937 zur Umgestaltung des Aulapodiums, ein 20-sitziges Professorengestühl mit Schnitzereien wurde aufgestellt. Sie zeigten Szenen aus der Bergmannsarbeit, dem Harzer Brauchtum und NS-Symbolik, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges ausgewechselt wurden. 1958 erfolgte eine Erweiterung um 14 niedrige Professorensessel.
1970 kam es aufgrund der Studentenbewegung zu einem Umbruch: Es fanden keinerlei Rektoratsübergaben oder akademische Feiern mehr in der Aula Academica statt. Auch das Professorengestühl wurde abgebaut und eingelagert. Sogar während der 200-Jahrfeier der Universität 1975 spielte sie als Veranstaltungsraum nur noch eine bescheidene Rolle. Erst 1980 – nach einer über zehnjährigen andauernden Pause – wurde wieder eine Rektoratsübergabe gefeiert und das Professorengestühl erneut aufgestellt. Die Ausrichtung des Landesfinales von „Jugend forscht“ ist erstmalig 1981 in der Aula und ein Erfolg, der bis heute nachhallt. Denn das Niedersachsenfinale findet nach wie vor in der Aula Academica statt.
Der Sportbetrieb in der Aula-Turnhalle endete hingegen 1995, weil die Universität die geschlossene Clausthaler Kaserne mit entsprechend großer Sporthalle übernahm. Es folgte ein Umbau der früheren Aula-Turnhalle zum Veranstaltungsort für Ausstellungen, Konzerte oder Tagungen. Am 26. Oktober 2001 kam es dann zu einer ersten großen Absolventenverabschiedung, damals noch gemeinsam mit der Immatrikulationsfeier. Bis zu 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer lassen sich in den folgenden Jahren dieses Ereignis nicht entgehen. Aufgrund baulicher Mängel musste 2007 der Betrieb der akademischen Schwimmhalle beendet werden. In den Jahren 2018 und 2019 wurde die Aula von außen für etwa 1,25 Millionen € saniert. 2022 folgte die Innenrestaurierung in Höhe von circa 1,2 Millionen €, am 12. Mai dann die Wiedereinweihung. Die „Kathedrale der Wissenschaft“ strahlt seitdem in frischem Glanz und sieht weitestgehend wieder so aus, wie einst bei ihrer ersten Eröffnung 1927. Der 14 Meter in die Höhe ragende Raum mit seinen 16 Säulen, die in der Spitze zu einem Stern zusammenfinden, beeindruckt erneut durch sein tolles Zusammenspiel von Farbe, Formgebung und Licht.
Erst kürzlich erhielten 317 Studentinnen und Studenten der TU Clausthal ihre Urkunden und Abschlusszeugnisse in der Aula Academica. 248 Studiengänge sowie 68 Promotionen und eine Habilitation sind somit erfolgreich abgeschlossen worden. Es kamen etwa 300 Gäste zu diesem feierlichen Ereignis, das erstmalig seit drei Jahren wieder in Präsenz über die Bühne gehen konnte.
Eine weitere öffentliche Veranstaltung fand am 11.11. um 19.30 Uhr bei freiem Eintritt statt und war ein bunt gemixter Trinkliederabend des Universitätschors der TU Clausthal mit dem vielsagenden Titel „Sing’n drink“. Am 26.11. konzertiert die Big Band der TU Clausthal „groovING TUC“ in der Aula Academica.
Mehr Informationen zum Sanierungsprozess, historische Fotoaufnahmen und Detailaufnahmen der sannierten Aula bietet der Film „Aula Academica – Rückbau in die Moderne“ der über den Videoserver der TU Clausthal kostenlos angesehen werden kann. Einen ersten Eindruck zum Film vermittelt der folgende Trailer.
Fokus
Im Artikel genannt
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Aula Academica der TU Clausthal
Eine Kathedrale der Wissenschaft im Oberharz
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