Eine ungewöhnliche Forschergruppe macht sich im Sommer des Jahres 1862 auf den Weg in den Harz, um dort einige der letzten Einhörner zu finden. Leiter der Expedition ist Konstantin O. Boldt, der sich der Erforschung magischer Kreaturen verschrieben hat. Er und seine Begleiter treffen bei Elbingerode auf eine alte Moosfrau, die sie mit viel Mühe und Verhandlungsgeschick überreden können, ihnen den Weg zu den Einhörnern zu zeigen.
Mehrere Tage folgen sie der Frau aus dem zurückgezogen lebenden Moosvolk durch die dichten Wälder des Harzes in unbesiedelte und den meisten Menschen verborgene Gebiete, bevor sie endlich auf eine kleine Herde der Fabelwesen treffen. „Einhörner sind entgegen ihres lieblichen Erscheinungsbildes aggressive Kreaturen, die innerhalb eines Augenblicks in Raserei verfallen können“, schreibt Boldt in sein Tagebuch, „Insbesondere das männliche Geschlecht scheinen sie zu meiden. Zahlreiche Berichte zeugen von der Gewalt, die Einhörner Männern gegenüber an den Tag legen. Einzig die Reinheit einer Jungfrau soll sie beruhigen können.“
Da eine Ordensschwester Mitglied der Gruppe ist, gelingt die Annäherung an die Tiere, sie schafft es, dass ein Einhorn ganz ruhig wird und schließlich seinen Kopf in ihren Schoß bettet. So gelingt es den anderen, die sich versteckt gehalten haben, dieses seltene Exemplar einzufangen. Die Forscher nehmen das Tier mit in ihr für die fast verschwundenen Fabelwesen geschaffenes Refugium, bevor sie sich auf weitere Reisen durch ganz Europa auf die Suche nach weiteren mythologischen Kreaturen machen, die durch die Fantasie und den Glauben der Menschen geschaffen zu sein scheinen.
Das Tagebuch des Konstantin O. Boldt existiert tatsächlich, nur ist es eben kein Tatsachenbericht, sondern ein Roman von Florian Schäfer, der von Elif Siebenpfeiffer aufwendig illustriert wurde. In „Fast vergessene Fabelwesen – Die sagenhafte Expedition des Konstantin O. Boldt“ erzählt Florian Schäfer von der außergewöhnlichen Forschungsreise sozusagen als Rahmenhandlung. Diese Erzählung könnte irgendwo zwischen Andrzej Sapkowskis „The Witcher“ und den Büchern von Jules Verne angesiedelt sein, sie verknüpft Elemente des klassischen Abenteuerromans mit Fantasy. Außerdem beschreibt Florian Schäfer aber die Fabelwesen, und zwar so, wie es in alten Sagen und Legenden überliefert ist.
In gewisser Weise ist er nämlich selbst Forscher auf diesem Gebiet, wenn auch eher aus einer kulturgeschichtlichen Warte heraus, als dass er selbst Expeditionen unternimmt. Erst einmal ist er aber Naturwissenschaftler, hat in Göttingen Biologie studiert. Zudem interessierte er sich schon von Kindheit an für Sagen und Märchen unserer Heimat und fand einen Weg, beides miteinander zu verknüpfen.
Die „Forgotten Creatures“ – so nennt er sein Projekt – fängt er sozusagen wirklich ein, nun ja, er baut sie nach. Dabei orientiert er sich an historischen Quellen, studiert die Überlieferungen und modelliert seine Fabelwesen möglichst lebensecht, wobei ihm seine Anatomiekenntnisse durchaus zugutekommen. Auch er schafft ähnlich wie sein Alter Ego Konstantin Boldt ein Refugium für diese Tiere, allerdings eher ein Museum als einen Zoo.
„Kabinett der Kreaturen“ nennt es sich, ist in Hann. Münden zu finden und als Ausstellung mit mehr als 2000 Exponaten zu finden. Mit Florian unter einem Dach – den Denkräumen für Kulturgeschichte – ist übrigens auch Dr. Wolfs Wunderkammer, das Museum für Geschichte, Kunst und Kurioses. Jener Dr. Daniel Rudolph Wolf ist auch Mitglied der Expedition des Konstantin Boldt, was ja nahelegt, dass diese Figur tatsächlich viel mit Florian gemeinsam hat.
Genau wie sein fiktiver Forscher ist er jedenfalls überzeugt, dass diese vergessenen Kreaturen uns dabei helfen können, viel über uns selbst und unsere Mitmenschen zu lernen. Sie sind häufig eine Manifestation dessen, wie wir miteinander oder mit der Natur umgehen. „Solche Sagen wurden genutzt, um in einem magischen Weltbild einfache Erklärungen für komplexe Zusammenhänge zu geben.
In vielen Fällen handelt es sich um Schutzgeister, im Buch denkt Konstantin Boldt zum Ende hin immer häufiger darüber nach, ob es richtig ist, die Wesen ihrem, zugegeben durch die Industrialisierung immer eingeschränkteren – Lebensraum zu entreißen und ins Refugium zu bringen. In Florians Fall ist es ein ökologischer Aspekt, neben der Bewahrung kulturgeschichtlicher Überlieferungen eben auch eine Bewahrung einer Natur, die wir bis heute nicht in allen Zusammenhängen begreifen.
Sein erstes Projekt waren allerdings keine wilden Wesen in aller Welt, sondern Hausgeister wie Kobolde etc., die übrigens ursprünglich zunächst meist hilfreiche Geister waren, die im Grunde dazu da waren, „Mägde und Knechte zum Spuren zu bringen“, wie Florian es ausdrückt.
Seitdem sammelt er alles, was er in die Finger bekommt, um unseren heutigen durch die Popkultur geprägten Vorstellungen die Ursprünge gegenüberzustellen. Vieles geriet in Vergessenheit, wurde umgedeutet und ist bis auf wenige Ausnahmen eben weitestgehend unbekannt. So entstand sein erstes Buch „Hausgeister“, eben kein Roman, sondern ein Sachbuch über Gestalten aus der deutschsprachigen Märchen- und Sagenwelt.
Es ist also ein wissenschaftliches Projekt im weiteren Sinne, auf der anderen Seite aber auch ebenso eine Beschäftigung mit vielem, was der Wissenschaft gegenüberstand. Er nennt es „Schwurbelbereiche“, denn oft geht es eben auch um Erklärungsversuche jener, die sich der Wissenschaft verweigerten. Auch mit der parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg hatte er Kontakt. „Die sprechen mit Menschen, die glauben, dass es bei ihnen spukt“, erklärt er es ganz einfach.
Manche Menschen nehmen es eben so wahr oder glauben, es so wahrzunehmen, angeblich etwa 30 Prozent aller Deutschen sind heute noch dafür empfänglich. Keine Entwicklung im Zuge von Fake News und gefühlten Wahrheiten, meint Florian, sondern ein Umstand, der schon immer so war. „Es gab immer diejenigen, die auszogen, Einhörner zu suchen, es gab die, die sie ‚fanden‘ und verkauften, und es gab die, die versuchten, es zu erklären. Letzteren hat man immer sehr wenig zugehört.“
Der Glaube an magische Wesen begleitet uns also schon die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch. „Und immer sind es eigentlich unsere Ängste und Wünsche, unsere Hoffnungen und Träume, die sich in diesen Wesen ausdrücken.“ Das ist für ihn der spannende Aspekt, der ihn dazu gebracht hat, sich mit seinen „Forgotten Creatures“ zu beschäftigen.
Neben den „Fast vergessenen Fabelwesen“ ist auch ganz aktuell noch ein zweites Sachbuch entstanden, in dem auch Figuren zu finden und näher beschrieben sind, die im Tagebuch auftauchen. „Fabeltiere – Tierische Fabelwesen der deutschsprachigen Mythen, Märchen und Sagen“, heißt das Werk, wurde zusammen mit der Erzählforscherin Janin Pisarek und der Fotografin Hannah Gritsch geschrieben, die ihn auch schon bei „Hausgeister“ unterstützten.
Alle Bücher sind natürlich über den Buchhandel zu beziehen, weitere Informationen zu Florian und den „Forgotten Creatures“ gibt es auf seiner Website, die unter https://forgottencreatures.de zu finden ist.
Jetzt am Gewinnspiel teilnehmen und eines von zwei Büchern gewinnen!
Zusammen mit Florian Schäfer verlosen wir jeweils ein Exemplar seines Romans „Fast verschwundene Fabelwesen“ und des Sachbuchs „Fabeltiere“. Um an der Verlosung teilzunehmen, ist folgende Gewinnspielfrage zu beantworten:
Wie lautet der Name von Florian Schäfers Alter Ego in seinem jüngsten Roman?
(Antworten können bis zum Sonntag, 3.12.2023 23:59 Uhr abgegeben werden!)
Wenn ihr Florian Schäfer und kulturis unterstützen wollt, dann würden wir uns freuen, wenn ihr den Artikel mit dem Hinweis auf das Gewinnspiel auf Social Media teilt!
Das Gewinnspiel wurde bereits beendet.
Noch mehr spannende Einblicke gibt es im ausführlichen Interview
Christian Dolle hat ein ausführliches Interview mit Florian Schäfer geführt und auf seinem YouTube-Kanal veröffentlicht. Wenn ihr noch mehr über Florian Schäfer und seine Projekte erfahren wollt, dann hört doch gerne mal rein.
Fokus
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Im Artikel genannt
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Forgotten Creatures
Sagenhafte Fabelwesen aus dem Mythenatelier
Dr. Wolfs Wunderkammer
Das Museum für Geschichte(n), Kunst & Kurioses
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