Wilhelm Haarmann war – der Legende nach in seiner häuslichen Badewanne – im Jahr 1874 erstmals die Herstellung von Vanillin aus Rindensaft von Nadelhölzern gelungen. In Holzminden, direkt am Solling gelegen, hatte er schnellen Zugang zum Ausgangsmaterial Coniferin und verhalf der kleinen Stadt im Weserbergland zu seiner heute wichtigsten Industrie. Die „Stadt der Düfte und Aromen“ ist auf Schritt und Tritt mit der naturidentischen und synthetischen Herstellung von Duft- und Aromastoffen verbunden: Der Geruch von Zwiebelextrakt, Waschpulver oder Vanillepudding weht schon mal durch die Straßen, viele Arbeitsplätze sind entstanden und auch die Gewerbesteuereinnahmen sind ein wichtiges Instrument zur Gestaltung des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens. Da liegt es nahe, das Thema aufzugreifen, kulturell aufzubereiten und attraktiv zu präsentieren.
In den kommenden Monaten wird es darum gehen, die Bevölkerung und die politischen Fraktionen in die Projektentwicklung einzubeziehen.
Aber wie lassen sich flüchtige Gerüche und vertraute Geschmacksrichtungen so darstellen, dass sie zu einer touristischen Attraktion werden können? Eine von der Bürgerstiftung Holzminden initiierte Machbarkeitsstudie hat es auf den Punkt gebracht und nach einem langen Entscheidungsprozess in der Politik auch zu Fakten geführt: SENSORIA, die „Erlebniswelt der Düfte und Aromen“, wird im Jahr 2024 ihre modernen Pforten öffnen. Der erste Spatenstich ist feierlich begleitet worden und Ursula Dwořák, die maßgeblich für den Inhalt der Machbarkeitsstudie verantwortlich ist, hat als Gründungsleiterin ihre Tätigkeit in Holzminden aufgenommen. Sie wird dieses europaweit einmalige Projekt bis zur Eröffnung voran bringen, die Bevölkerung durch unterschiedlichste Angebote neugierig machen und immer wieder den Schulterschluss zur Politik und Industrie herstellen. „Das Projekt Sensoria Holzminden ist auf den Weg gebracht. In den kommenden Monaten wird es darum gehen, die Bevölkerung und die politischen Fraktionen in die Projektentwicklung einzubeziehen“, sagt die engagierte Planerin.
Auf 850 Quadratmetern Nutzfläche kann künftig das Unsichtbare erlebt werden. Interaktive Ausstellungsexponate, wechselnde Sonderausstellungen und künstlich erstellte Lebensräume werden das Millionenprojekt für einen Besuch attraktiv machen. Der Geruch des Mondes ist ebenso zu erleben wie ein Starkregen im Urwald oder der Rauch eine virtuellen Feuerwand. Düfte bewusst wahrzunehmen, die aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind, Geschmack als Sinnesexplosion zu empfinden oder ein Parfum selber zu kreieren, sind nicht nur für Schulklassen interessante Themen. Zwischen dem Weltkulturerbe Kloster Corvey in Höxter und der Porzellanmanufaktur in Fürstenberg entsteht ein Leuchtturmprojekt in Holzminden. Eine Reise ins Weserbergland wird noch lohnender und lässt Besucher lustvoll zwischen Natur und Kultur wandeln.
Unterschiedliche Formate sind geplant, um insbesondere mit den Nicht-Befürwortenden in der Diskussion zu bleiben
Und was sagt die Bevölkerung in Holzminden? Seit Jahrzehnten leben sie mit ihrer Duftindustrie Tür an Tür. Sie haben erlebt wie sich Filtersysteme verbessern. Sie können das Wachstum der Branche verfolgen und die Veränderungen der Produktions- und Handelswege. Dass aber nun der industrielle Alltag vor Ort in einer modernen Präsentationsform erlebbar gemacht werden soll, überzeugt noch nicht jeden. „Unterschiedliche Formate sind geplant, um insbesondere mit den Nicht-Befürwortenden in der Diskussion zu bleiben“, beschreibt Ursula Dwořák ihre Aufgabe der nächsten Monate. Dazu gehören Ausstellungsworkshops, Sensoria-Tage mit Duftstationen und Geschmackstests im Rahmen von Stadtfesten und Baustellenführungen, sobald der Rohbau Mitte 2023 fertiggestellt ist.
Aktuell stehen im Mittelpunkt der Ausstellungsworkshops die auf Zielgruppen abgestellten Ideen der Ausstellungsmacher. Für Vereine, Kulturschaffende oder private Initiativen sollen die Dachterrasse und die Räumlichkeiten im Duftlabor vielseitig nutzbar sein. Lebhaft wird bei diesen Workshops diskutiert, Ideen werden ausgetauscht und die Stimmung ist freudig-neugierig. Hier kommen Befürwortende des Projekts zusammen und unterstützen sich gegenseitig. Weitere Formate werden künftig in der Fußgängerzone und auf dem Marktplatz zu finden sein, um ein breiteres Publikum anzusprechen. Denn eins ist klar: Das Fundament für das Gebäude ist gegossen und nun muss das Fundament in der Bevölkerung stabiler werden.
Fokus
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Sensoria - Haus der Düfte und Aromen
Riechen. Schmecken. Neu entdecken
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