Auf sehr angenehme und zugleich lustige Weise illustriert Reichwald eine schöne und unschuldige Liebe zwischen zwei Männern, die zarter kaum sein könnte. Dies wirkt nie kitschig oder aufgesetzt. Gleichzeitig appelliert der Regisseur für mehr Toleranz im Fußball und kritisiert auf humorvolle Weise den größenwahnsinnigen Transfermarkt und fragwürdige Sponsorendeals.
Das Bühnenbild ist wie bei vorherigen DT-Produktionen wieder sehr fantasievoll und fantastisch. Schneeflocken fallen herunter vor einer schwarzen Leinwand und stellen den Winterabend dar, bei welchem sich die zwei Herren im Wald treffen. Auf schüchterne und natürliche Weise stellen Leonard Wilhelm und Paul Trempnau zwei Männer dar, die sich zueinander hingezogen fühlen und langsam ins Gespräch kommen wollen. Die Chemie zwischen den beiden Schauspielern ist verdammt stimmig. Ihre simplen, leicht zu verstehenden Dialoge akzentuieren dies enorm. Man kauft den beiden richtig ab, dass sie sich über einfache Dinge unterhalten, wie das Rascheln im Wald oder ein kleines Wortspiel spielen, um ins Gespräch zu kommen. Wir standen schließlich alle schon mal vor der Herausforderung, irgendwie ein Gespräch mit jemand Interessantem anzufangen. Außerdem fühlen die Zuschauer:innen das intime Gefühl zwischen den zwei Fußballern noch mehr, da die Vorbühne, welche sonst als Orchestergraben dient, ebenfalls als Bühnenteil genutzt wird. Somit sind die Darsteller ganz nah am Publikum und können die unmissverständlichen Gefühle noch besser transportieren.
Ein weiteres wichtiges Leitthema des Stückes ist die Vergänglichkeit. Man weiß halt nie, wieviel Zeit man mit seinen Geliebten verbringen kann. Dieser Aspekt wird unterschwellig in dem Stück thematisiert, ohne dass es zu deprimierend wird. Das Thema Vergänglichkeit wird allein schon mithilfe der Pantomimen-Schminke visualisiert. Alle Darsteller tragen weiße Schminke mit schwarzem Lippenstift und wirken damit beinahe schon wie Geister aus japanischen Butoh-Tänzen. Daneben erinnert die Schminke auch an Comedy Auftritte à la Charlie Chaplin und lässt so manche Szene noch lustiger aussehen. Das Makeup und die Leitthemen des Stücks stehen damit im Kontrast zueinander und sollen das Groteske am Fußball in Bezug auf Homophobie und Ausbeutung andeuten. In Europa gibt es leider im Männer-Fußball der ersten Ligen keinen Spieler, der seine Homosexualität offen lebt.
Absurde Dialoge verstärken den Komikfaktor
Der Kontrast zu manch homophoben Fan bilden die Eltern des von Paul Trempnau gespielten Fußballers. Katharina Pittelkow und Gerd Zinck spielen hier richtig komische und verständnisvolle Eltern, die für ordentlich Comedy-Einlagen im Stück sorgen. Die beiden sind schon ganz aufgeregt auf den Besuch an Heiliganbend und ziehen ihren Sohn richtig auf, dass „sein Freund“ gleich zu Besuch kommt. Solch tolerante und verständnisvolle Eltern wünschen wir uns schließlich alle. Bei dem Weihnachtsbesuch kommt es aber leider zu einem großen Schicksalsschlag für Fußballer Paul. Sein Fußballkollege hat nämlich versehentlich Bananenbrot als Geschenk für die Mutter mitgebracht, und die reagiert allergisch auf Bananen. Auf sehr ulkige und groteske Weise porträtiert Katharina Pittelkow, wie die Mutter mit ihrem letzten Atemzug die Hand ausstreckt. Diese Szene könnte glatt aus einem Zeichentrickfilm stammen, und man muss eher Lachen als Weinen. Die Schauspielerin spielt aber nicht nur die Mutter, sondern gleich mehrere Rolle, genau wie Gerd Zinck. Pittelkow spielt unter anderem auch die Priesterin bei der Beerdigung der Mutter und treibt das Bizarre noch weiter auf die Spitze. Im Priestergewand kommt sie mit einer Discokugel an, schneidet komische Grimassen und schläft während der Trauerrede sogar ein. Bei der Beerdigung der Mutter sagt Leonard Wilhelm zu seinem Schwarm außerdem „schade, dass deine Mutter nicht hier sein konnte.“ Solche absurden Dialoge verstärken den Komikfaktor nochmal enorm und lassen die Stimmung nie zu düster werden. Glücklicherweise tut all das der Zuneigung zwischen den zwei Fußballern keinen Abbruch. Bei der Beerdigung kommt es zum ersten Kuss zwischen den beiden. Dabei schaffen es Leonard Wilhelm und Paul Trempnau, sich einen wundervollen Kuss von der Distanz aus zu geben. Wer jetzt denkt, das Stück isei doch zu zimperlich im Umgang mit Homosexualität, irrt sich. Das war erst der Vorgeschmack!
Es kommt leider, wie es kommen muss: Ein Foto wird von dem frischen Paar geschossen und es folgt eine Pressekonferenz. Auf Fragen wie „Küssen sie sich jetzt nach jedem Tor?“ antworten Wilhelm und Trempnau stets: „über die Taktik entscheidet immer noch der Trainer.“ Solche stumpfen und doch urkomischen Dialoge sorgen für eine große Extraportion Humor. In der berüchtigten Pressekonferenz-Szene wird auf die Sponsorendeals mit dubiosen Firmen eingegangen, da Katharina Pittelkow als Reporterin ständig mit einem Jingle den Sponsor Emirates bewirbt. Plötzlich springt Gerd Zinck als Fußball-Legende Sergio Ramos in die Bresche und philosophiert über seine eigene Sterblichkeit im Angesicht der Akropolis in Athen. Für seinen dramatischen, witzigen und extravaganten Monolog bekam Zinck Extrabeifall vom Publikum.
In der Schlussszene wird das Thema Vergänglichkeit erneut aufgegriffen. Auch der Transfermarkt als Allegorie für den ausbeuterischen Kapitalismus im Fußball wird illustriert. Für eine Riesensumme wird Fußballer Paul nach Paris geschickt. Zum Abschied küssen sich beide Darsteller nun sogar richtig auf die Lippen. Heißt es nun, es ist das Aus für die zwei Männer von Real Madrid?
Dies können Sie ab sofort selbst herausfinden im Deutschen Theater. Einfach schöne Dialoge, amüsante Comedy-Parts und Gesellschaftskritik: All das vereint die Komödie »Zwei Herren von Real Madrid«. Den zarten Dialogen könnte man einfach stundenlang zuhören, da die zwei Hauptdarsteller Paul Trempnau und Leonard Wilhelm das Unschuldige und die Nervosität beim ersten Aufeinandertreffen ganz natürlich darstellen. Auch Katharina Pittelkow und Gerd Zinck überzeugen mit komischen Momenten. Das ganze Ensemble schafft es schließlich, sich in die Herzen des Publikums zu kicken und einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
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