Mareike, um was geht es in dem Theaterstück?
Es geht um die Frage, warum wir Menschen uns streiten, sogar Krieg führen gegeneinander, in Missgunst, Misstrauen oder Verachtung leben. Das spielt sich in allen zwischenmenschlichen Beziehungen ab: zwischen Geschwistern, Eltern und Kindern, Mann und Frau, zwischen den Ländern und Religionen. Warum lehnen wir „das Fremde“ so ab? Welcher grundlegende Gedanke steht dahinter?
Und dann eben: Wie kommen wir da raus, wie lässt sich das Miteinander in Frieden und Wertschätzung gestalten? Was kann die Lösung sein?
Da haben die biblischen Geschichten, anhand derer die Thematik beleuchtet wird, einiges zu bieten, an Zwietracht und Versöhnung.
Dann ist Johannes über dem Jordan aktueller denn je?
Tja, leider ist das so. Flüchtlingswelle, Klimakrise, Corona-Pandemie, jetzt der Krieg gegen die Ukraine – immer wieder schaffen wir Menschen Fronten, Ablehnung, Streit, Vernichtung, Ignoranz und Angst.
Aber wir hoffen, dass wir mit unserem Spiel wirklich inspirieren zu neuen Gedanken und Handlungen. Das Stück soll berühren und Mut machen.
Und dazu nutzen wir unterschiedliche Wege: Bilder, Projektionen, Musik, Sprache, Komik, Geschichten.
Ohne zu spoilern: Gibt es ein Happy End? Oder bleibt es bei der Dystopie? Ist es überhaupt ein Weltuntergangsstück?
Das Stück zeigt meines Erachtens keine Dystopie, die ja eine zukünftige erschreckende Gesellschaftsordnung darstellen würde.
Ein Happy End? Ich würde sagen: Das Stück endet mit einem guten Anfang.
Was für ein Verhältnis hast Du zum Theaterspielen? Und wie bist Du zu dem Stück gekommen?
Die Begeisterung über das Theater habe ich von meinem Vater Achim Block, einem ausgesprochenen Theatermenschen. Viele Stücke gesehen, diskutiert und auch mit ihm auf die Bühne gebracht, Schultheater, Improvisationskurse, Auftritte mit Gesang oder Akrobatik – ich habe eigentlich immer gerne und viel gespielt. Bei meinen letzten Produktionen, bei denen ich verschiedene Genre auf die Bühne gebracht habe (Musical, Oper, Schlager, Chanson), hat mich Alexander Cern gefragt, ob ich in seinem Stück die Onna spielen möchte. Das hat mich total angesprochen: große Bühne! Diese Kirche! Theater mit Gesang! - das alles wollte ich gerne.
Im Untertitel heißt es „ein interaktives Musiktheater“. Was bedeutet „interaktiv“?
Es gibt kleine Handlungen, zu denen das Publikum angeleitet wird. Die Menschen bleiben dabei an ihrem Platz, stehen mal auf, machen Handbewegungen, die die Situation verdeutlichen. Wenig Aufwand, große Wirkung. Manches kann man eben schneller begreifen, wenn man es nicht nur hört.
Durch den Bühnenaufbau schräg durch die ganze Kirche und die seitlich von diesem Steg platzierten Stühle sitzen die Zuschauer*innen ganz nahe am Geschehen. Und sie können einander sehen. Darum geht es ja: den anderen sehen…
Und was heißt „Musiktheater“? Ist das ein Musical?
Nein, leider nein (lacht). Diesen Traum hebe ich mir für eine spätere Produktion auf…
Bei Johannes über dem Jordan“dient die Musik dem Theater. Sie verdeutlicht Stimmungen, Kulturen, Zeiten. Einige Teile singe ich, aber auch die Chorszenen mit der Göttinger Stadtkantorei sind für das Stück wichtig. Dazu zeigt Bernd Eberhardt seine Vielseitigkeit auf dem Klavier. Das ist ja schon ein Erlebnis für sich.
Insgesamt spielt die Musik eine große Rolle für das Stück.
Wer sind die Drei Bewohner des Jordan? Was ist deine Rolle?
Da sind Éla, gespielt von Laura Störmer, und Kāvṓd, gespielt von Andreas Schönberger. Ich trete als Ônna auf. Onna ist die Mutter der Mutter, die Älteste und die Spirituellste der Dreien, die Seherin, eher orthodox geprägt. Sie liebt es, sich Visionen hinzugeben und ist dadurch nicht ganz so in Streit, im Irdischen verstrickt, erhebt sich dann eher über die Zwistigkeiten der anderen Beiden. Als Seherin lässt sie die anderen sogar bewusst in ihre Krisen hineingehen- mit der Idee, dass nur so Erlösung erreicht werden kann. Sie ist immer transzendent verbunden und erwartet sich Antworten von dort.
Ich liebe diese Rolle sehr. Und es macht Spaß, sie zu entdecken- als wäre sie eine reelle Figur. Wer weiß 😉
Außerdem schlüpfen alle drei Akteure auch in viele andere kleine Rollen: Gabriel, Jakob, Zacharias, Elisabeth, Maria, Lukas und viele mehr.
Wie gestaltete sich die Probenarbeit?
Mit Alexander Cern zu arbeiten, ist ein Geschenk. Er hat so viel Wissen und Witz. Sein Aufwärmen zu Beginn der Probe hatte immer Bezug zum Stück. Leseproben, dann szenenweises Erarbeiten, Ausprobieren, Wege festlegen, das Stück sich gemeinsam zu eigen machen – und dann in den Kirchraum einpassen. Die Wege sind lang, man muss Spannung und Ausdruck durch den gesamten Kirchraum bringen und zum Beispiel Gefühle so zeigen, dass sie auch von hinten wahrzunehmen sind, das ist eine echte Herausforderung.
Gibt es ein Bühnenbild?
Der wunderbare Kirchraum bietet Bilder und Sprache genug. Der Rest ist schlicht: Neben dem bereits erwähnten Steg als Spielfläche, aber auch als Symbol für den ausgetrockneten Jordan, gibt es Projektionen und körperlich dargestellte Bilder. Auch das Publikum ist Bestandteil der Inszenierung und damit des Bühnenbildes: wir wollen, dass die Menschen sich gegenseitig sehen.
Es wird am 2. Juli, also nach der zweiten Vorstellung, ein „Gespräch in der Kulisse“ geben. Wenn Du in dieser Gesprächsrunde sitzen würdest, welche Frage würdest Du da stellen wollen?
Ich würde Alexander Cern fragen, was er als nächstes Projekt vorhat. Vielleicht doch ein Musical?
Liebe Mareike Bremer, vielen Dank für das Gespräch.
Im Oktober 2022 gibt es vier weitere Aufführungen: 12., 13., 14. und 15. Oktober, Beginn jeweils um 19 Uhr.
Tickets für die Vorstellungen gibt es online hier im Ticketshop des Kulturbüros sowie an allen Reservix-Vorverkaufsstellen.
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