ROCKHARZ setzt mit zwei Projekten neue Maßstäbe

„Kultur für Alle“ und „Glück in Dosen“ fördern Inklusion und Teilhabe.

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Das ROCKHARZ-Festival ist schon lange aus der deutschen Metalszene nicht mehr wegzudenken. Jahr für Jahr strömen mehrere tausend Besucherinnen und Besucher auf das Flughafengelände in Ballenstedt, um eine gute Zeit zu erleben und ihrer Lieblingsmusik zu lauschen. Mit seinem Inklusionscamp gehört das Festival bereits seit Jahren zu den Pionieren in Sachen Inklusion. 2023 ist jetzt das neue Projekt „Kultur für Alle“ hinzugekommen. Ziel dabei sei es, Metalheads mit Behinderungen einen entspannten Festivalbesuch zu erleichtern beziehungsweise erst möglich zu machen.

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Dass dieses ehrgeizige Vorhaben nun umgesetzt wird, daran ist auch Björn Schulz nicht ganz unbeteiligt. Seit zehn Jahren sitzt der Fotograf und Metal-Fan im Rollstuhl: „Damals habe ich mir gedacht, dass ich alles, was ich einst als Fußgänger machen konnte, natürlich auch als Rollstuhlfahrer erleben wollte. Festivals gehörten unbedingt dazu.“ Von einem anderen Rolli-Fahrer bekam er als Tipp, das ROCKHARZ-Festival im Harz zu besuchen. Nach jedem seiner Festivalbesuche schickte Schulz im Anschluss eine Liste mit Änderungsvorschlägen an das Organisationsteam. Diese beinhaltete auch, wie man aus seiner Sicht den Besuch von behinderten Menschen noch weiter verbessern könnte. Zu seiner Freude wurden seine Vorschläge tatsächlich in den Folgejahren berücksichtigt. Zwar werde Inklusion schon lange bei ROCKHARZ gelebt. Mit dem Start von „Kultur für Alle“ im vergangenen Sommer soll das bislang Erreichte aber weiter optimiert und professionalisiert werden.

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Foto vom Rockharzfestival 2023
Lizensiert gemäß Alle Rechte vorbehalten von Katja Richter

Björn Schulz (links), Inklusionbeauftragter des Rockharz Festival

„Gerade sind wir dabei, für „Kultur für Alle“ einen gleichnamigen Verein zu gründen. Dieser soll dann das Dach für die gemeinsame zukünftige Arbeit bilden. Wir haben mit unserer Veranstaltung jetzt eine Größe erreicht, die es uns ermöglicht, auf das Thema festivalübergreifend aufmerksam machen zu können. Einhergehend mit einer gesellschaftlichen Verantwortung, die man als Veranstalter ab einer bestimmten Größenordnung auch annehmen sollte“, berichtet Daniela Glogner vom ROCKHARZ-Veranstalter Veruga GmbH. „Allen Menschen - unabhängig von körperlichen oder geistigen Einschränkungen - die Teilnahme an kulturellen Ereignissen zu ermöglichen ist ein aus unserer Sicht unerlässlicher Beitrag für gelebte Inklusion und Teilhabe. Bei unserer Arbeit setzen wir daher nicht nur auf den direkten Austausch und die Kommunikation mit Betroffenen, sondern stellen unsere Erfahrungen und Erkenntnisse auch anderen Veranstaltern und Interessenten zur Verfügung“, so heißt es weiter.

Mit beim Gemeinschaftsprojekt dabei sei auch die Lebenshilfe aus Braunschweig. Diese habe sich als Aufgabe gestellt, Veranstaltungen für Menschen mit Behinderungen so weit wie möglich barrierefrei zu gestalten. Ihr Ziel: Menschen mit Beeinträchtigung begleiten, fördern und gemeinsam mit ihnen ein Leben in der Gesellschaft gestalten. Mit „Rock in Rautheim“ hat die Lebenshilfe ein eigenes kleines Festival. Nach eigenen Angaben sei es Deutschlands größtes Inklusions-Rock/Metal-Festival. Aus ihrer Sicht passen Inklusion, Metal und Rock perfekt zueinander. „Rock in Rautheim“ steht für ganz besondere Begegnungen sowie für eine einmalige Atmosphäre. Von Aufbau bis hin zum Bier zapfen - alles sei inklusiv gestaltet. Die Merchandise-Artikel werden in einer eigenen Werkstatt produziert, Werbematerialien oder auch die Eintrittskarten selbst gedruckt. Bei „Kultur für Alle“ ergänzen sich ROCKHARZ und „Rock in Rautheim“ hervorragend: ROCKHARZ hilft infrastrukturell, „Rock in Rautheim“ berät fachlich zum Thema Barrierefreiheit. Zudem ist ein kleines Festival ideal, um Dinge auszuprobieren.

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Foto vom Rockharzfestival 2023
Lizensiert gemäß Alle Rechte vorbehalten von Katja Richter

Die Lebenshilfe Braunschweig bot über den gesamten Festivalzeitraum Hilfe an.

„Kultur ist ein Ventil und ein Ladegerät für die Seele. Nach der Corona-Pandemie wusste ich, dass Kultur sehr wohl systemrelevant ist“, erklärte Daniela Glogner. Doch was bedeutet nun „Kultur für Alle“ konkret, was wird angeboten:

  •  Die Campfläche 2023 wurde im Vergleich zum Vorjahr um das 2,5 fache vergrößert. Sie beherbergte während des Festivals etwa 200 Menschen. Die behinderten Menschen zahlen den ganz normalen Eintritt. Eine Begleitperson ist allerdings frei.
  • Für den Zugang war eine eigene Rezeption rund um die Uhr eingerichtet, die zum Beispiel für die Ausgabe der Festivalbändchen zuständig war und Fragen aller Art beantwortete.
  • Das Team der Lebenshilfe Braunschweig bot mit 24 Leuten vor Ort 24 Stunden am Tag Pflegedienstleistungen bis hin zur Intensivpflege an.
  • Es gab einen mobilen Hilfsmittelverleih sowie einen Reparaturservice für Rollstühle und Hilfsmittel aller Art sowie weitere Maßnahmen an verschiedenen Schwerpunkten auf dem Festivalgelände.
  • Zudem waren rollstuhlgerechte Überfahrbrücken an verschiedenen Schwerpunkten auf dem Festivalgelände vorhanden.
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Foto vom Rockharz 2023. Zwei Personen im Rollstuhl auf den Festivalwegen aus ausrangierten Förderbändern
Lizensiert gemäß Alle Rechte vorbehalten von Katja Richter

Dank ausrangierter Föderbänder konnten Menschen mit Behinderungen einfacher über das Festivalgelände navigieren

  • Ausrangierte Förderbänder aus dem Bergbau dienten dabei als Rollstuhlwege und Orientierung für Sehbehinderte im Inklusions-Camp. Signalfarbe markierte an verschiedenen Schwerpunkten potentielle Stolperfallen sowie spezielle Eingangsbereiche für Menschen mit Sehbehinderung.
  • Barrierefreie Dusch- und WC-Container standen im Inklusionscamp und anderen ausgewiesenen Orten auf dem Festivalgelände zur Verfügung. Es wurden verschiedene Eingänge, zum Beispiel zum Infield und dem Merchandise Stand eingerichtet.
  • Menschen mit Beeinträchtigungen hatten Zugang zu Tribünen mit barrierefreien Zugängen im Infield und VIP Bereich.
  • Getränke und Speisekarten konnten an vielen Ständen als QR Code eingescannt werden. Ein Abspielen in Sprachwiedergabeprogrammen war somit gewährleistet.
  • Abschließend gab es ein Treffen zum Erfahrungsaustausch mit Betroffenen und Vertretern der Festivalleitung.

„Es ist geplant, dass wir Container mit Duschliegen bauen, die wir dann kostengünstig für kleine Vereine zur Verfügung stellen werden. Außerdem möchten wir eine Checkliste für Veranstalter entwickeln. „Kultur für Alle“ ist uns eine Herzensangelegenheit, weshalb wir alle Interessenten und mögliche Sponsoren einladen möchten teilzunehmen, um anderen Menschen echte Teilhabe zu ermöglichen. Das schließt beispielsweise auch den geplanten Aufbau einer nichtkommerziellen Verleih-Infrastruktur für behindertengerechtes Veranstaltungsequipment und andere Lösungen ein. Beim 5. Kulturmarkt des Landschaftsverbandes Südniedersachsen in Göttingen waren wir zum Thema „Barrierefreiheit und Zugänglichkeit im Kulturleben“ dabei und konnten vielen interessierten Kulturschaffenden von unserem Projekt „Kultur für Alle“ erzählen. Wir hoffen, dass wir dadurch auch andere Veranstalter dazu ermutigen können, ihre Veranstaltungen barrierefreier zu gestalten!“

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Foto vom Rockharzfestival 2023
Lizensiert gemäß Alle Rechte vorbehalten von Katja Richter

Die Bühne im Infield sorgte mit guter Sicht und guter Laune für besondere Stimmung.

Das zweite Projekt ist „Glück in Dosen“. Salopp könnte man dazu auch sagen: „Saufen für den guten Zweck!“ Bereits zum 10. Mal führte der Rotaract Club aus Clausthal-Zellerfeld diese Aktion beim ROCKHARZ-Festival durch. Wiederholt wurden dabei unzählige Getränkedosen gesammelt und gespendet. Mit dem Pfanderlös werden ausgewählte Kinder- und Jugendprojekte aus der Region finanziell unterstützt. Dabei vermeldete ROCKHARZ über eine Million Dosen in zehn Jahren und einen Pfanderlös insgesamt in Höhe von 270.000 €. Davon 70.000 € allein in 2023 - ein neuer Rekord. Die Spenden wurden bereits am 04. November im Schloßtheater in Ballenstedt an die bedachten Einrichtungen überreicht. Der Anteil der aktiv gespendeten Dosen steige in jedem Jahr an.

Die Aktion des Jahres 2023 konkret in Zahlen: Vier LKW, dicht bepackt mit Pfandgut, schickten die jungen Helfer zum Spenden los. All diese Dosen ergäben aneinandergereiht eine Blechlawine aus 280.000 Segmenten, die von Ballenstedt bis zum Brocken reichen würde. Dieser überträfe mit mehr als 47 Kilometern Länge selbst die Marathondistanz von 42,195 Kilometern. Ein bedachter Verein aus der Kulturszene ist der Goslarer Music Scene e.V. Von der erhaltenen Spende in Höhe von 12.500 € werden kostenlose Grundkurse in Ton- und Lichttechnik sowie Instrumentenbau und -bedienung für Kinder finanziert. Weitere Einrichtungen sind: KidsCamp (10.000 €), Jugendhilfe Bockenem e.V. (12.500 €), Verein heimatBEWEGEN e.V. (10.000 €), Förderverein der Wartbergschule Osterode (10.000 €), Stadt Ballenstedt (10.000 €) und die Grundschule Lasfelde (5.000 €).

Die Einrichtungen KidsCamp, Förderverein der Wartbergschule Osterode und die Grundschule Lasfelde fallen in das Einzugsgebiet vom Landschaftsverband Südniedersachen. KidsCamp ist ein fünftägiges Ferienlager für Kinder zwischen acht und dreizehn Jahren aus sozial benachteiligten Familien. Es wird organisiert von Rotaract, Rotary und dem Verein Urlaubskinder. Laut Dirk Pruschke, Rektor der Wartbergschule, beabsichtigt der Förderverein, die Spende in die tiergestützte Arbeit mit Kindern zu investieren. Darüber hinaus kommt ein weiterer Teil der Gelder der Anschaffung von Sportrollstühlen zugute und fließt in einen neu anzuschaffenden Bus. Das Schulgarten-Projekt der Grundschule Lasfelde wiederum soll mit Saatgut, Erde und Gartengeräten versorgt werden. „Wir möchten den Boden im ummauerten Gartenbeet austauschen. Er ist mit Blei und Arsen als Ablagerungen aus jahrhundertealten Bergbautagen belastet und soll daher neu angelegt werden. In diesem Jahr haben wir dort Pflanzen angebaut, die wenig Schwermetalle einlagern. Außerdem haben wir zwei neue Hochbeete eingekauft, die wir von dem Geld finanzieren, befüllen und im Frühling dann neu bepflanzen wollen. Das Projekt teilen wir übrigens auch mit der Partnergrundschule SAM 2 im Senegal, mit der wir uns gegenseitig monatlich in Videokonferenzen unsere Gärten zeigen und uns austauschen“, berichtet Anke Schwarz, Rektorin der Grundschule in Lasfelde.

Weitere Informationen:

ROCKHARZ-Festival: 03.-06. Juli 2024 (ausverkauft!) | www.rockharz-festival.com | Telefon: 05521 855 444

Rock in Rautheim: 10.-11. Mai 2024 | www.rock-in-rautheim.de | Telefon: 0531 4719 0, E-Mail: info@lebenshilfe-braunschweig.de

Rotaract Clausthal-Zellerfeld: | www.rotaract-clz.de | E-Mail: clz@rotaract.de

Verfasser:in

Ralf Gießler

Journalist und Autor des kulturis-Magazins

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Im Artikel genannt

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Header Rockharz 2024

Rockharz Open Air

Als im Jahr 1993 ein kleines, eintägiges Indoor-Festival unter dem Motto „Rock gegen Rechts“ in Osterode am Harz stattfand, ahnte man nicht, dass damit der Grundstein für die Festival-Erfolgsgeschichte des ROCKHARZ Festivals gelegt worden war. Jetzt, im Jahr 2023, kann das 30jährige Jubiläum der...

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